Full text: Lesebuch zur Geschichte Bayerns.

91. Des Kronprinzen Maximilian Hochzeit im Oktober 1842. 453 
Kaum war aber der Vater der Götter und Menschen mit seiner Gemahlin, 
mit den klagenden Parteien und mit dem Gerichtsboten Merkur wieder ab- 
getreten, so brach der Liederkranz herein, zweiundsechzig Männer, denen füßer 
Wohllaut in der Kehle schläft, an der Spitze Meister Kunz, der treffliche Musikus. 
Diese richteten sich in der Mitte des Saales ein und sangen nun zum Nachmahle 
ihre schönen Lieder, vor allem das begeisterte „Helden, laßt die Waffen ruhen“, 
das „Walhallalied“ mit seinen Heldentönen, das bei uns bereits zum Volks- 
gesang geworden ist. 
So ging es fort in herrlichster Fröhlichkeit; Trinksprüche, Vivatrufe, 
lustige Scherze, prächtige Lieder und Musikstücke wechselten miteinander ab, 
bis endlich nach Mitternacht Thorwaldsen in milder Rührung dankend Abschied 
nahm. Wie einen jungen Hochzeiter begleiteten sie mit spielenden Musikanten, 
jauchzend und jodelnd, den greisen Meister an den Wagen und unter hallendem 
Lebehoch fuhr er aus ihrer Mitte. 
91. Des Kronprinzen Maximilian Hochzeit im Okhtober 1842. 
Von Ludwig Steub.) 
Bei uns ist alles voller Freuden, die fröhlichste Aufregung geht durch 
alle Gassen der Stadt, von einem Ende des Weichbildes bis zum anderen, vom 
Erdgeschoß bis ins Dachstübchen. Der Reigen unserer Feste ist eröffnet seit 
dem Tage, als die junge Kronprinzessin ihre neue Heimat in unserer Königs- 
burg betrat. Daß die liebliche Braut, die Prinzessin Marie von Preußen, 
mit herzlichem Willkomm werde ausgenommen werden, war vorauszusehen, 
aber die jubelnde Aufgeregtheit bei ihrem Empfange war am Ende doch noch 
überraschend. Es war in der Tat ein schöner Tag, als selbst die kolossale 
Ludwigstraße zu eng wurde für die Tausende, welche im Sonnenschein auf 
und ab wogten, die voll Freude und Spannung durcheinander drängten in der 
festlich geschmückten Gasse, aus deren Fenstern ungeheure Banner flaggten. 
An ihrem Anfange, wo das Gebiet der Stadt beginnt, war dagegen ein 
grüner Triumphbogen erbaut, auf welchem der Willkomm zu lesen, den die 
Harrenden der Erwarteten, längst Ersehnten mit Herz und Mund entgegen- 
trugen. Alle die Freudenbezeugungen der Städte, der Märkte und Dörfer 
an der Straße — noch im letzten Orte, zu Schwabing, standen die Landleute 
mit einem sinnigen Gruße bereit — alle diese Huldigungen hatten die Ankunft 
etwas über die angesagte Stunde verzögert; endlich aber ging ein froher Ruf 
durch die Menge, welcher deutlich kundgab, daß der rechte Augenblick gekommen 
sei. Über dem bunten Gewimmel sah man die Helme der Kürassiere funkeln, 
die dem Zuge voranritten, die Gasse öffnete sich, die Reiter zogen vorüber, 
der Wagen nahte, ein taufendfacher Willkomm stieg donnernd auf und in 
1) „Kleinere Schriften.“ IV. Band. S. 33 ff. Stuttgart 1875, Cotta.
	        
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