92. An die Kronprinzessin Marie von Bayern. 457
Hier kamen auch die festlichen Symbole hinzu, die ihm die letzte Weihe gaben
— alle Landsmannschaften ließen ihre Banner wehen und allen voran wehte
die große Fahne mit dem Wappen des Königreichs. Nun ging's freudig hinab
in die Wiese, auf welche eine herrliche Herbstsonne herunterleuchtete, und vors
königliche Zelt, wo die Mistelgauer einen heimischen Brauttanz begannen und
ihre Jungfrauen weidlich schwangen, zum großen Vergnügen der Hundert-
tausende, welche auf dem Tanzplatz standen. Dann reihten sich alle auf die
Bänke, die für sie aufgeschlagen waren, gegenüber den königlichen Herrschaften,
um das Rennen zu beschauen. Wir unterlassen die weitere Schilderung der
Feier, müssen uns aber noch bei dem tiefen Eindruck aufhalten, den der
Festzug auf alles Volk, hoch und nieder, hervorbrachte. Maͤnchem Beschauer
wurden die Augen feucht und selbst weither gekommene ausländische Gäste
gestanden gern ihre Rührung ein. Es ist das Volkstümliche, das so wirkt,
die Freude an der Art des eigenen Stammes, der Gedanke, wie viel Schönes
und Herrliches, anscheinend Unmögliches sich durch einträchtigen Sinn, durch
Liebe und Begeisterung für teure Namen ermöglichen lasse. Es ist etwas
Prächtiges um ein volkstümliches Volksfest! Wollte Gott, wir Deutschen alle
hätten bald Anlaß ein großes, deutsches Volksfest zu begehen, sei's an den
Ufern des Rheins oder der Donau, wo dann die Seemänner von Danzig
und die Weinbauern der Pfalz, die Dittmarschen und die Zillertaler neben-
einander erscheinen mögen im pangermanischen Festzug!
92. An die Kronprinzessin Marie von Bayern,
geb. Prinzessin von Preußen.
Von Franz Graf von Pocci.“)
Zieh ein, o königliche Braut,
Ins neue Vaterland;
Wir Bayern harren sehnsuchtsvoll,
Das Banner in der Hand.
Das Freudenbanner in der Hand,
Es flattert weiß und blau
Und spricht zu dir im Farbenspiel:
„Komm Unschuld!“ und „Vertrau!“
Sieh unfre Scharen dichtgedrängt,
Wie sie um dich sich reih'n,
Und dir und unserm Königssohn
Die Huldigungen weih'n!
Der Demant aus dem tiefen Schacht
Schmücht deiner Krone Glanz,
Der Morte dunhelgrünes Laub
Soll winden sich zum Kranz.
Und wie der Demant, stark und fest,
Wird unfre Liebe sein,
Der Bayern Herzen treubewährt —
O glaub es! — sie sind dein.
Und wie der Myrte Blätter nun
Um deine Stirne blüh'n,
S## werden, wie am heut'gen Tag,
Die Herzen stets erglüh'n!
Das Banner weht, die Myrte blüht,
Es glänzt der Diamant;:
Zieh ein, o holde Königsbraut,
Ins neue Vaterland!
1) „Dichtungen“. S. 110. Schaffhaufen 1843, Hurter.