9. Der Sturz Tassilos. 35
rückgewonnen, was die bösen Menschen Oatilo und Tassilo dem Reiche der
Franken zeitweise entfremdet hätten.
Bereits ist der Widerstand Aquitaniens endgültig gebrochen. Karlmann
ist gestorben und damit in der Person Karls des Großen die Einheit des
fränkischen Reiches wieder hergestellt. Bereits ist auch das Langobardenreich
der Frankenherrschaft einverleibt und die römische Kurie in das engste Ver-
hältnis zu Karl dem Großen getreten. Selbst der Widerstand der bisher
freien Sachsen ist so weit zurückgedämmt, daß man an die Einteilung des
Landes in Missionsbezirke wie an die Einführung der fränkischen Grasschafts-
verfassung denken kann. Nunmehr erachtet Karl den Zeitpunkt gekommen um
an die Lösung der bayerischen Frage heranzutreten. Damit war dem baye-
rischen Herzogtum das Schicksal gesprochen, der Herzog konnte es durch sein
Verhalten wohl beschleunigen, aber — bei der größten Befähigung — nicht
aufhalten.
Ostern 781 weilte Karl am päpstlichen Hofe. Eben hatte er dem lango-
bardischen Reiche in seinem Sohne Pippin einen König gegeben und er suchte
diese Neuordnung zu sichern gegen Angriffe im Norden wie im Süden. Das
Ergebnis der in Rom zwischen König und Papst gepflogenen Verhandlungen
war die Abordnung einer gemeinsamen Gesandtschaft an Tassilo, um den Herzog
an den Eid zu erinnern, den er Pippin, dessen Söhnen und den Franken
im Jahre 757 zu Compiêgne geschworen habe.
Völlig isoliert, jedes Rückhalts beraubt, kann Tassilo gegenüber dem
päpstlich-fränkischen Bündnis an einen bewaffneten Widerstand nicht denken;
hatte er ja wenige Jahre vorher den stärkeren Langobarden dieser Koalition
erliegen sehen. Wohl aber fordert der Herzog, dem schon damals das
Schicksal seines langobardischen Schwiegervaters vorschweben mochte, Geiseln
für seine persönliche Sicherheit. Er erscheint dann auf einer Reichsversammlung
zu Worms, erneuert hier den Vasalleneid und stellt zwölf auserlesene
Geiseln als Unterpfand dafür, „daß er alles halte, was er dem König Pippin
eidlich gelobt, in Sachen des Königs Karl und seiner Getreuen“. Mit den
„Getreuen“ des Frankenkönigs sind die königlichen Vasallen in Bayern
gemeint, die eine dem Herzogtum gefährliche Zwitterstellung einnahmen; trotz
der Selbständigkeit Tassilos hatten noch 778 königliche Vasallen aus Bayern
am fränkischen Feldzug teilgenommen.
In Bayern herrschte nach dem Tage von Worms Stille; es war die
Stille vor dem Gewitter. Einzelne Vorgänge zeugten von der zunehmenden
Spannung. 785 kam es im Süden, bei Bozen, zu einem blutigen Zusam-
menstoß zwischen Bayern und Franken. Es findet sich kein Beleg, daß den
Herzog eine Schuld traf; es hat eher den Anschein, daß der Befehlshaber
der Franken, Hrodbert, den Kampf auf eigene Faust unternahm. Ebenso
wenig findet sich ein Beleg, daß der Herzog der Auflehnung seines Schwagers
Arichs von Benevent gegen den Frankenkönig näherstand; jedenfalls hat er
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