Einleitung.
Ein gewaltiger Umschwung hat sich am 9. November
1918 im Deutschen Reiche vollzogen. Mit einem Schlage ist
das bisherige Reichsstaatsrecht hinweggefegt worden, die beiden
großen Körperschaften, der Bundesrat und der Reichstag, sind
verschwunden. Aber neue entsprechende Körperschaften sind
entstanden, und erneut ist die Frage der Legitimationsprüfung
in ihrer ganzen Bedeutung aufgetaucht. Da ist es nun heute
besonders am Platze, einen Rückblick darauf zu werden, wie
diese Frage nach bisherigem Reichsstaatsrecht zu behandeln
war, um ein Beispiel für ihre zukünftige Behandlung zu geben.
Zwischen Bundesrat und Reichstag bestanden tiefgrün-
dige Unterschiede; diese beiden Körperschaften standen sich in
der Hauptsache wie Regierung und Volksvertretung gegen-
über. Demgemäß war auch ein entsprechender Unterschied
zwischen Bundesratsbevollmächtigten und Reichstagsabge-
ordneten vorhanden. Die Bundesratsbevollmächtigten waren
die Vertreter der Bundesglieder (Art. 6,1) (der einzelnen Staa-
ten, wie unten noch näher ausgeführt wird), und waren daher
verpflichtet, nach den Grundsätzen über die Stellung eines
Beauftragten gegenüber dem Auftraggeber gemäß dessen
Weisung zu handeln. Auch die Reichstagsabgeordneten waren
Vertreter, und zwar laut Art. 29 Vertreter des ganzen Volkes;
dieser Satz bedeutete aber nur, daß dem ganzen Deutschen
Volke eine mittelbare Teilnahme an der Lösung staatlicher
Aufgaben des Reiches gewährt war; denn der Artikel fuhr
fort; „und an Aufträge und Instruktionen nicht gebunden.“
Die einmal gewählten Reichstagsabgeordneten waren daher
völlig unabhängig von der Gesamlheit ihrer betreffenden