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Laband:) macht ohne nähere Begründung noch einen
Unterschied: Soweit die Prüfung nur die formelle Legiti—
mation betraf, habe der Reichskanzler als der Vorsitzende des
Bundesrats und Minister des Kaisers die Vollmacht zu prüfen
gehabt. Betraf diese Prüfung aber materielle Rechtsfragen, so
sei er unzuständig gewesen. Für die Annahme dieser Unter—
scheidung findet sich aber weder in gesetzlichen Bestimmungen
noch nach allgemeinen Gesichtspunkten ein Anhalt!
3. Es bleibt nun noch die Körperschaft selbst, der Bundes-
rat, als Prüfungsberechtigter übrig.
Der Bundesrat war der Verfassung nach der oberste
Träger der Reichsgewaltd) und hatte als solcher — im Gegen-
satz zum Kaiser und Reichskanzler — alle Rechte des Reichs,
die nicht ausdrücklich einem anderen Reichsorgan übertragen
waren. Daher stand ihm auch das Recht der Prüfung der
Legitimationen seiner Mitglieder zu. Es hatte sogar die
Pflicht;denn ihm stand die Sanktion der Gesetze zu. Er war
somit für das verfassungsmäßige und den internen Vorschriften
entsprechende Zustandekommen der Gesetze verantwortlich!
Ferner hatte der Bundesrat in seinem inneren Betriebe als
eine aus zur Abstimmung und Beratung über Gesetze berech-
tigten Mitgliedern bestehende Körperschaft notwendig eine
Ahnlichkeit mit einem Parlament. Dieses hatte sowohl vor-
herrschend in Deutschland wie auch heute noch in vielen anderen
Ländern das Recht und die Pflicht, die Berechtigung seiner
Mitglieder zu prüfen, wie es im besonderen für den Deutschen
Reichstag unten näher ausgeführt werden wird. UÜber-
wiegend geschieht die Prüfung durch das Plenum des Par-
laments. So kann man mit Recht in Ermangelung besondere
Vorschriften im Wege der Analogie annehmen, daß das Ple-
num des Bundesrats das Recht und die Pflicht hatte, die Le-
gitimation seiner Mitglieder, beim erstmaligen Erscheinen eines
neuernannten Bevollmächtigten und beim Zusammentritt zu
1) Laband S. 250.
2) Vgl. Art. 7 RV.