— 37 —
niemals der Reichskanzler übergangen worden. Eine ander-
weitige Befugnis ist auch in der Literatur für den Reichstag
niemals behauptet worden#.
c) Dem Reichstag stand nach dem Wortlaut des Art. 27 R#V.
nur die Prüfung der Legitimation seiner „Mitglieder“ zu. War
ein Mitglied also aus dem Reichstage ausgeschieden, sei es durch
Tod, Niederlegung des Mandates oder aus anderen Gründen,
so konnte naturgemäß die Gültigkeit eines derart erledigten
Mandates nicht mehr Gegenstand der Wahlprüfungstätigkeit des
Reichstages sein?). Der Reichstag ist dieser Auffassung in der
Regel auch gefolgt. So wurde z. B. die Prüfung der Wahl des
Abgeordneten Wamhoff infolge dessen Mandatsniederlegung
für erledigt erklärts). Maßgebend für die Praxis war vor allem
die Entscheidung, die im folgenden Falle getroffen wurde:
Im sechsten Wahlkreise des Regierungsbezirkes Arnsberg
war die Wahl des Abgeordneten Möller (Dortmund) von der
Kommission für ungültig erklärt worden. Vor der Plenar-
sitzung legte der betreffende Abgeordnete nun sein Mandat
nieder. Es wurde dennoch der Antrag gestellt, die Diskussion
über den Kommissionsantrag auf der Tagesordnung zu be-
halten. Demgegenüber wurde von dem Abgeordneten von
Bennigsen ein Antrag eingebracht, „der Reichstag wolle mit
Rücksicht auf die stattgehabte Mandatsniederlegung diesen
Gegenstand der Tagesordnung für erledigt erklären.“ Der
Antrag wurde von ihm selbst, wie folgt, sachlich scharf begründet:
„Das Haus hat die Legitimation seiner Mitglieder zu prüfen,
hat zu prüfen, ob jemand das Recht hat, an den Beratungen und
Beschlüssen des Hauses teilzunehmen. Bei Herrn Möller ist
diese Frage aber dadurch entschieden und erledigt, daß er sein
Mandat niedergelegt hat und ein solches Recht, mitzuberaten
und zu beschließen, garnicht mehr hat.“ Der Antrag wurde
1) Wohl aber für Preußen, val. v. Rönne S. 260ff.; dagegen vor
allem Leser #§ 41.
2) Vgl. Jungheim S. 6.
3) Sten. Ber. 1895/97, Bd. 4, S. 1890 B.