Full text: Die Legimitationsprüfung der Bundesratsbevollmächtigten und der Reichtagsabgeordneten nach bisherigem Reichsstaatsrecht.

— 38 — 
denn auch in der Abstimmung mit großer Mehrheit ange- 
nommen.:#). 
d) Der Reichstag konnte, wie wir oben gesehen haben, 
wenn dies für den Zweck der Wahlprüfung nötig war, durch 
den Reichskanzler die beteiligte Staatsregierung um Beweis- 
erhebung ersuchen. Dagegen war er aber nicht berechtigt, eine 
solche Erhebung zu fordern, wenn über die Legitimation des 
betreffenden Abgeordneten bereits gültig entschieden war. 
Denn dies hätte eine Forderung nach Kontrollierung der Be- 
hörden, nicht zum Zwecke der Entscheidung bedeutet. Ein 
derartiges Recht siand dem Reichstage nicht zu. Wollte ferner 
etwa der Reichstag „die Entscheidung nur zu dem Ende heraus- 
schieben, um Erhebungen, auf die nichts ankommt, noch fordern 
zu können, so hieße das nur einen Mißbrauch durch einen anderen 
größeren ersetzen?).“ — Dieser letztere Fall hat sich tatsächlich er- 
eignet, und zwar bei einer Wahlprüfungsverhandlung im Jahre 
188 5. Die Kommission schlug vor, die Wahl zwar für gültig zu 
erklären, aber den Reichskanzler zu ersuchen, über bestimmte 
Vorgänge Erhebungen zu veranlassens). Gegen diesen Vor- 
schlag wandte sich vor allen Minister v. Bötticher mit sachlich 
richtigen Ausführungen: Es lasse sich die Frage aufwerfen, 
ob der Reichstag die Befugnis habe, von der Regierung zu 
verlangen, daß sie Erhebungen veranlasse, die für die Fest- 
stellung der Gültigkeit der Wahl überhaupt von keiner Bedeu- 
tung mehr seien. Die Regierung sei der Meinung, daß der 
Reichskanzler ein solches Mandat, wie es ihm durch den Kom- 
missionsvorschlag ausgesonnen werde, nicht übernehmen 
könne, jedenfalls nicht zu übernehmen verpflichtet sei. Die 
Wahlprüfungskommission schlüge in Zukunft in solchen Fällen 
besser vor, daß die Regierung darauf aufmerksam gemacht 
werde, daß Unregelmäßigkeiten vorgekommen seien. — Der 
Reichstag half sich einfach dadurch, daß er die Entscheidung 
1) Sten. Ber. 1894/95 Bd. 140 S. 2453 B. 
2) v. Seydel Komm. S. 298. 
3) Sten. Ber. 1884/85. Bd. II. S. 1102ff., Bd. III, S. 1523ff.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.