Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

114 8 12. Die Rechte der Einzelstaaten. 
berichten. Das wichtigste und älteste Beispiel für die Anwendung 
dieses Systems sind die Reichsbevollmächtigten für Zölle und Steuern, 
welche aus den Einrichtungen des Zollvereins übernommen sind. In 
nicht wenigen Reichsgesetzen ist aber den Aufsichtsorganen des Reichs, 
namentlich den Reichskommissaren, die Befugnis eingeräumt worden, 
den Behörden der Einzelstaaten direkt Anweisungen zu erteilen‘). In 
diesen Fällen geht die Aufsicht in einen Anteil an der Verwaltung 
selbst über und über die in der RV. begründete Zuständigkeit des 
Reichs hinaus; sie muß daher stets auf einer besonderen reichs- 
gesetzlichen Anordnung beruhen. 
8 12. Die Rechte der Einzelstaaten?). 
Aus der Natur des Bundesstaates als einer aus Staaten bestehen- 
den öffentlich rechtlichen Korporation ergibt sich, daß die Mitglieds- 
staaten Rechte, sowie auch Pflichten haben. Die Organisation einer 
juristischen Person ist selbst ein Gegenstand der objektiven Rechis- 
ordnung und erzeugt subjektive Berechtigungen, Befugnisse, die recht- 
lich begrenzt und rechtlich geschützt sind, für ihre Mitglieder. Den 
Rechten entsprechen dann öffentlich rechtliche Pflichten. 
Diese Rechte sind aber nicht durchweg von gleicher juristischer 
Natur; ihr Verhältnis zur Mitgliedschaft an sich ist vielmehr ein ver- 
schiedenes, und dadurch ergeben sich Unterschiede von praktischer 
Bedeutung für diese Rechte selbst. Es lassen sich folgende Kategorien 
unterscheiden. 
I. Mitgliedschaftsrechte. Die Mitgliedschaft bei jeder ju- 
ristischen Person ist ein Komplex von Rechten und Pflichten und kann 
in einzelne Befugnisse und Verpflichtungen aufgelöst werden. Diese 
Rechte und Pflichten sind lediglich das Resultat oder der Reflex der 
Korporationsverfassung, die Wirkung der Korporationsverfassung auf 
die einzelnen Mitglieder’). 
Dies gilt auch vom Deutschen Reich. Die dem Reiche obliegenden 
staatlichen Aufgaben enthalten einerseits Beschränkungen der Mit- 
gliedstaaten, indem die zur Erfüllung dieser Aufgaben erforderlichen 
Hoheitsrechte dem Einzelstaat entzogen und auf das Reich übertragen 
sind; sie begründen aber andererseits Rechte der Einzelstaaten und 
ihrer Angehörigen, daß das Reich diese Aufgaben auch für sie und zu 
ihren Gunsten erfüllt. 
Rechte dieser Art sind der Anspruch jedes Staates auf den 
1) HänelS. 307 und die Einzeldarstellungen bei Kiefera.a. O. 
2) Vgl. meine Abhandlung in Hirths Annalen 1874, S. 1487—1524; Löning 
ebendas. 18756, S. 337 ff. u. Grundzüge S. 39 fg.; Hänel, Studien I, S. 183 ff. und 
Staatsrecht I, S. 807 ff.; Meyer, Staatsrecht 8 164; Zorn ]J, S.114ff.; Anschütz 
S. 519 fg. 
3) Labanda.a. O. S. 1501, 1502.
	        
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