146 $ 15. Die Pflichten der Reichsangehörigen.
lungen in dem Staate, indem der Täter Untertanist, als
Hochverrat, Landesverrat oder unter einer anderen Benennung gestraft
werden sollen, unter welcher die gleiche Handlung, gegen den einzel-
nen Staat selbst begangen, zu strafen sein würde. In diesem Beschluß
selbst aber wird als Grund angegeben, daß die Verfassung des Deut-
schen Bundes auch ein Teil der Landesverfassung sei.
Die Bundesinstitutionen hatten daher keinen selbständigen oder un-
mittelbaren Schutz, sondern nur mittelbar durch den Schutz der Ver-
fassungseinrichtungen der einzelnen Staaten; Unternehmungen gegen
den Bund waren nur strafbar als Hoch- oder Landesverrat gegen den
Einzelstaat!).
Durch den Art. 74 der Verfassung hat sich dieses Verhältnis voll-
ständig geändert. Zwar lehnt er sich in seiner Fassung an den Wort-
laut des Bundesbeschlusses von 1836 an, weil es zur Zeit der Errich-
tung des Norddeutschen Bundes noch kein gemeines Strafrecht gab;
aber er bestimmt nicht, daß der Hochverrat oder Landesverrat gegen
das Reich als Hoch- oder Landesverrat gegen den einzelnen Staat,
in dessen Gebiet die Tat verübt worden ist, anzusehen sei, sondern
daß er ebenso wie der Hoch- und Landesverrat in den einzelnen
Staaten zu bestrafen sei?). Gegenstand des Verbrechens ist nicht der
Einzelstaat in seiner Eigenschaft als Bundesglied, sondern das Reich
selbst?). Das Reichsstrafgesetzbuch hat die partikulären Gesetze beseitigt
und die Bestrafung des Hoch- oder Landesverrates sowohl gegen das
Reich als auch gegen die einzelnen Staaten geregelt. Im $ 81 wird
das Unternehmen, »die Verfassung des Deutschen Reiches gewaltsam
zu ändern oder das Bundesgebiet ganz oder teilweise einem fremden
Staate gewaltsam einzuverleiben oder einen Teil desselben vom Ganzen
loszureißen«, als ein selbständiger Tatbestand des Hochverrats aner-
kannt und völlig gleichartig neben den Fall gestellt, daß ein gleiches
Unternehmen gegen einen Bundesstaat gerichtet wird. Ebenso führt
der $ 92 die Gefährdung des Wohles und der Rechte des Deutschen
Reiches neben der Gefährdung des Wohles und der Rechte eines
Bundesstaates auf. Endlich ist auch das Reichsgesetz vom 3. Juli 1893
(Reichsgesetzbl. S. 205) gegen den Verrat militärischer Geheimnisse zu
erwähnen, in welchem wiederholt zum Tatbestand »die Gefährdung
der Sicherheit des Deutschen Reiches« erfordert wird‘). Das
Reich erscheint auch in dieser Beziehung als Staat, nicht als Staaten-
bund. Endlich sind der Bundesrat und der Reichstag und seine Mit-
1) Vgl. Heffter im N. Archiv des Kriminalrechts 1840, S. 223 ff. und Lehrbuch
des Strafrechts 8 203, Note 5; Binding, Lehrb. Besonderer Teil. Bd. II S. 421 (1905).
2) „Nach Maßgabe der in den letzteren bestehenden oder künftig in Wirksam-
keit tretenden Gesetze.“
3) Schütze, Lehrbuch S. 228.
4) Auf dieses Gesetz hat mich mein Kollege Prof. van Calker aufmerksam
gemacht.