8 15. Die Pflichten der Reichsangehörigen. 147
glieder gerade ebenso wie die gesetzgebenden Versammlungen der
einzelnen Staaten und deren Mitglieder gegen gewaltsame Angriffe
und gegen Beleidigungen geschützt. Reichsstrafgesetzbuch 88 105, 106,
196, 197.
Aber auch in einer anderen Beziehung hängt die strafrechtliche
Gestaltung des Landesverrates mit der bundesstaatlichen Verfassung
des Reiches zusammen. Die Kompetenzabgrenzung zwischen Reich-
und Einzelstaat, welche, wie wir ausgeführt haben, für die Bestimmung
der Untertanenpflicht maßgebend ist, hat auch zur Folge, daß ein
Landesverrat in gewissen Fällen nur gegen das Reich, nicht gegen den
Einzelstaat verübt werden kann.
Bekanntlich teilt man den Landesverrat ein in den militärischen
und diplomatischen. Dermilitärische Landesverrat besteht
in der Aufreizung eines fremden Staates zum Kriege gegen das Vater-
land oder in der Unterstützung, Begünstigung und Vorschubleistung
des Feindes nach ausgebrochenem Kriege. Da nun die einzelnen
Staaten das Recht der Kriegsführung nicht haben, dieses vielmehr aus-
schließlich dem Reich zusteht, so kann sich ein sogenannter mili-
tärischer oder Kriegslandesverrat niemals gegen einen Gliedstaat, son-
dern immer nur gegen den Gesamtstaat richten !), und es kommt daher
auch in subjektiver Beziehung lediglich die Reichsangehörigkeit, nicht
die Staatsangehörigkeit in Betracht. Demgemäß bedrohen die 85 87— 90
‚einen Deutschen«, welcher die daselbst angeführten Handlungen gegen
das Deutsche Reich oder dessen Bundesgenossen verübt, mit Strafe ?).
In einem inneren Zusammenhange damit steht die Bestimmung
des Gesetzes über die Bundes- und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni
1870, 8 20:
»Deutsche, welche sich im Auslande aufhalten, können ihrer
Staatsangehörigkeit durch einen Beschluß der Zentralbehörde
ihres Heimatstaates verlustig erklärt werden, wenn sie im Falle
eines Krieges oder einer Kriegsgefahr einer durch das Bundes-
präsidium für das ganze Bundesgebiet anzuordnenden ausdrück-
lichen Aufforderung zur Rückkehr binnen der darin bestimmten
Frist keine Folge leisten.«
Auch diese Bestimmung hat ihren Grund in der Verpflichtung zur
Treue aller Reichsangehörigen gegen das Reich in denjenigen Ange-
legenheiten, die allgemeine Reichsinteressen betreffen, und ist für das
Verhältnis von Staatsbürgerrecht sehr bezeichnend. Der Kriegszustand
und die Kriegsgefahr bedrohen das Reich als Ganzes; der Aufenthalt
—
1) Der von einigen Kommentatoren zum Reichsstrafgesetzbuch, z. B. Oppen-
hoff zu 8 88, Note 1; Schütze, Lehrbuch S. 250, Note 37 erwähnte Fall, daß nur
ein Bundesstaat mit einem ausländischen Staate sich im Kriege befindet, ist aus
staatsrechtlichen Gründen unmöglich. Vgl. John a. a. O. S. 47; Liszt, Lehrbuch
(9. Aufl.) S. 569, Anm. 2.
2) Johna.a.O.S. 48; Olshausen Kommentar zu $ 87, Note 3.