8 81. Die Auflösung des Deutschen Bundes.
Die europäischen Großmächte hatten daher an der staatlichen
Neubildung Deutschlands nicht nur das politische Interesse, welches
alle Kulturstaaten der Welt daran nahmen, sondern es konnte aus
völkerrechtlichen Gründen ihre besondere Zustimmung zur Auflösung
des — unter ihrer Mitwirkung begründeten — Deutschen Bundes er-
forderlich erscheinen. Auch diesem Erfordernis ist Genüge geschehen
durch den internationalen Londoner Vertrag vom 11. Mai 1867),
welcher die Neutralität Luxemburgs unter die Kollektivgarantie der
europäischen Großmächte mit Einschluß Italiens stellte, indem der
Art. 6 dieses Vertrages ausdrücklich auf die Auflösung des Deutschen
Bundes Bezug nimmt.
Der Deutsche Bund war kein staatliches Gemeinwesen, sondern
ein Gebilde des Völkerrechts; er stand in rechtlicher Beziehung ledig-
lich unter völkerrechtlichen Regeln. Auch seine Auflösung ist aus-
schließlich nach völkerrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen. Für
Zweifel, wie sie die Beendigungsweise des alten Deutschen Reiches in
betreff der rechtlichen Würdigung des Vorganges hervorrief?), bietet
die Auflösung des Deutschen Bundes keinen Raum. Mag man politisch
über die Ereignisse des Jahres 1866 denken wie man wolle, mag man
die Auflösung des alten völkerrechtlichen Staatenverbandes vielleicht
beklagen : für die rechtliche Beurteilung kommt nur die Tatsache in
Betracht, daß die Auflösung des Bundesverhältnisses unter dem ein-
stimmigen Konsens aller Staaten erfolgt ist, welche einen Rechtsan-
spruch auf dessen Fortbestand hätten geltend machen können.
Es ergibt sich zugleich noch ein anderes Resultat. Man kann die
Auflösung des Deutschen Bundes auch hinsichtlich ihrer rechtlichen
Wirkungen nicht mit der des alten Deutschen Reiches auf gleiche
Linie stellen). Das Reich hatte staatliche Rechte, war überhaupt
ein staatliches, formell mit souveräner Gewalt ausgestattetes Subjekt.
In seine Rechte konnte daher eine Sukzession stattfinden und
zwar sukzedierte in der Tat jeder Staatssouverän für sein Gebiet in
diejenigen Hoheitsrechte, welche das Reich bis zu seiner Auflösung
hatte. Das Reich konnte ferner Gesetze geben, welche wegen ihres
Ursprungs formell gemeinrechtliche Kraft und Geltung hatten und
welche trotz der Auflösung des Reiches diese Bedeutung behielten,
bis sie durch die souverän gewordene Landesstaatsgewalt beseitigt
wurden. Der Deutsche Bund war ein völkerrechtliches Verhältnis.
Mit seiner Auflösung war dasselbe nach allen Seiten hin beendet; es
wurde freilich nicht srückwärts« annulliert, aber für die Zukunft voll-
ständig beseitigt; es gibt weder eine Sukzession in Bundesrechte‘),
1) Hahn S. 586; Glaser, Archiv I, 4, S. 125 ff.
2) Vgl. H. Schulze, Einleitung S. 281, Note 10.
3) So namentlich Zachariä in der angef. Vorrede S.IV undSchulzea.aO0.
S. 403. Im wesentlichen auch v. Rönne, Reichsverfassung S. 27, und Preuß. Staats-
recht I, 2, S. 740 (8. Aufl.).
4) Auch nicht in das Vermögen. Der Uebergang des sogenannten Bundesver-