170 & 18. Der Erwerb der Staatsangehörigkeit.
gesetzlichen Grunde zurückgewiesen, so ist der Streit, ob ein solcher
Versagungsgrund vorliegt oder nicht, in denjenigen Staaten, welche
Verwaltungsgerichte haben, vor den letzteren zum Austrag zu bringen;
wird das Gesuch ohne Geltendmachung eines reichsgesetzlichen Ver-
sagungsgrundes abgelehnt, so ist nach Erledigung des Instanzenzuges
im Einzelstaat die Beschwerde an den Reichskanzler zulässig (vgl.
unten Bd. 2, 8 66).
2. Die Naturalisation darf Ausländern nur erteilt werden,
wenn die im $8 des Gesetzes aufgeführten Voraussetzungen begründet
sind. Die Einzelstaaten dürfen demnach von keiner dieser Voraus-
setzungen einen Ausländer dispensieren; es ist ihnen vom Reich ver-
boten, das Staatsbürgerrecht an Personen zu erteilen, welche den
Erfordernissen des $ 8 nicht genügen ').,. Dagegen ist es ihnen unbe-
nommen, die Voraussetzungen der Aufnahme durch partikuläre Gesetze
oder Verwaltungsvorschriften zuerschweren oder auch das Gesuch
des Ausländers ohne Angabe von Gründen abzuweisen, da kein Aus-
länder ein Recht auf Naturalisation, kein Bundesstaat eine Pflicht zur
Erteilung derselben hat°). Nach einem Beschluß des Bundesrats vom
1) Der Grund ist der, daß die Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate das
Recht begründet, in jedem anderen Bundesstaate die Aufnahme zu ver-
langen; der Ausländer könnte sich daher in einem Bundesstaate unter erleichterten
Bedingungen naturalisieren, und dann in einem anderen Bundesstaate aufnehmen
lassen. Deshalb ist das im 8 8 des Gesetzes aufgeführte Minimum von Erfordernissen
ius cogens. Eine formell ordnungsmäßige, durch Aushändigung der Verleihungsur-
kunde vollzogene Naturalisation wird aber dadurch nicht unwirksam, daß nachträg-
lich ein Irrtum in der Feststellung der tatsächlichen Voraussetzungen nachgewiesen
wird. Auch dies folgt aus der zweiseitigen Natur der Naturalisation. Vgl.
Entsch. des Preuß. Oberverwaltungsger. Bd. 13, S. 408 ff. und Bd. 27, S.410 ff. Sey-
del in Hirths Annalen, 1876, S. 142. Jul. Fließ, Rechtskraft der Naturalisations-
urkunde. Greifsw. 1906. Walter Jellinek, Der fehlerhafte Staatsakt, 1908
S. 166 fg. CahnS. 78 ff.
2) Riedel S. 259. 260. Tatsächlich wird ein Staat von dieser Befugnis nicht
leicht Gebrauch machen, da die von ihm eingeführten Erschwerungen der Naturali-
sation auf dem in der vorigen Note angegebenen Wege umgangen werden können.
Indes ist es z. B. einem Staate unverwehrt, für die Erteilung von Naturalisa-
tionsurkunden Stempel- und Ausfertigungsgebühren zu erheben, während die Er-
teilung von Aufnahm eurkunden kostenfrei erfolgen muß (8 24, Abs. 1). Ueber die
Höhe der für die Naturalisation zu zahlenden Kosten sagt das Gesetz nichts; ihre
Normierung ist daher den Einzelstaaten überlassen. Vgl. die Zusammenstellung bei
Cahn S. 321 Anl. 24. Die Annahme vonLandgraff S.648, daß die Naturalisations-
urkunde wie die Entlassungsurkunde zu behandeln sei, weil die Nichterwähnung der
dafür zulässigen Gebühren angeblich auf einem Redaktionsversehen beruht, ist unbe-
gründet. Auch ist zu beachten, daß beide Fälle nicht analog sind; denn hohe Ge-
bühren für die Entlassungsurkunde kämen einer Auswanderungssteuer gleich;
hier handelt es sich um Zahlungen, die Inländer leisten, bei der Naturalisation um
Zahlungen, welche von Ausländern erhoben werden. Gegen Landgraff haben sich
auch alle neueren Schriftsteller erklärt. In Bayern ist von der Befugnis, die Natura-
lisation von Ausländern an erschwerende Bedingungen zu knüpfen, insofern Gebrauch
gemacht worden, als der Ministerialerlaß vom 9. Mai 1871, Nr.5 (bei