8 19. Der Erwerb der Staatsangehörigkeit. 173
Verwaltungsbehörde eines Bundesstaates vollzogene oder be-
stätigte Bestallung erhält«'?).
Eine solche Urkunde gilt zugleich als Aufnahme- oder Naturali-
sationsurkunde, wenn nicht das Gegenteil in ihr selbst durch Vor-
behalt der bisherigen Staatsangehörigkeit ausgedrückt wird (Art. 9,
Abs. 1)?).
Wenn ein Ausländer im Reichsdienst angestellt wird, so wird
derselbe stillschweigend naturalisiert von demjenigen
Bundesstaat, in welchem er seinen dienstlichen Wohnsitz hat?) (Art. 9,
Abs. 2). Für den Fall, daß der im Reichsdienste angestellte Ausländer
seinen dienstlichen Wohnsitz im Auslande hat, bewirkt seine Anstel-
lung den Erwerb einer deutschen Staatsangehörigkeit nicht. Nach dem
Reichsgesetz vom 1. Juli 1870 konnte er dieselbe auch nicht durch
Verleihung erlangen, da nach $ 8 dieselbe den Einzelstaaten nur ge-
stattet ist zugunsten solcher Ausländer, welche sich in dem Gebiet des
betreffenden Staates niederlassen. Dieser Grundsatz ist aber durch das
Reichsgesetz vom 20. Dezember 1875 (Reichsgesetzbl. S. 342)
modifiziert worden. Dasselbe ermächtigt nicht nur, sondern ver-
pflichtet die Bundesstaaten, Ausländern, welche im Reichsdienste
angestellt sind und ihren dienstlichen Wohnsitz im Auslande haben,
wenn sie die Verleihung der Staatsangehörigkeit nachsuchen‘®), die
Naturalisationsurkunde zu erteilen). Dieser Grundsatz ist aber be-
schränkt auf diejenigen Reichsbeamten, welche ein Diensteinkommen
aus der Reichskasse beziehen‘); so daß also namentlich die Wahlkon-
I
1) Unterbeamte und auf Kündigung angestellte Beamte, welche keine Bestallungs-
urkunde erhalten, erlangen daher nicht die Staatsangehörigkeit. Dasselbe gilt von
denjenigen mittelbaren Staatsbeamten, insbesondere Gemeinde- und Kirchenbeamten,
deren Bestallung nicht von einer höheren oder obersten Staatsbehörde bestätigt wird.
2) Daß der Landesherr selbst Angehöriger seines Staates ist, erscheint so
selbstverständlich, daß eine ausdrückliche gesetzliche Anerkennung dieses Status
überflüssig ist. Wenn ein Ausländer zur Thronfolge in einem deutschen Staat be-
rufen wird, so wird er durch die Thronbesteigung ipso jure Angehöriger seines Staa-
tes und Reichsangehöriger. Dies war der Fall bei der Thronfolge des Herzogs von
Edinburg in Sachsen-Koburg-Gotha. Die Frage, ob ein deutscher Bundesfürst als
solcher reichsangehörig sei, ist in Veranlassung dieses Falles nicht nur in der Tages-
presse, sondern sogar in der Sitzung des Deutschen Reichstages vom 5. Februar 1894
erörtert worden. Uebereinstimmend G. Meyera.a.0. Rehm, Modemes Fürsten-
recht S. 131ff. A. Ans. Cahn S. 44.
3) D. h. seinen ersten Dienstwohnsitz. Bei einer Versetzung in das Gebiet
eines anderen Bundesstaates ändert sich die Staatsangehörigkeit des Reichsbeamten
nicht, denn zu dieser Zeit ist er nicht mehr Ausländer, sondern Reichsangehöriger.
Wenn ein Deutscher im Reichsdienst angestellt wird, so ändert sich seine Staats-
angehörigkeit nicht, wengleich sein dienstlicher Wohnsitz außerhalb seines Heimats-
staates ist. Die entgegengesetzte Ansicht vonRiedel S.261, Nr.6istirrig. Ueber-
einstimmend SeydelIl,S. 283; G. Meyer 8 76, Note 25.
4) Eine rechtliche Verpflichtung hierzu besteht für den Reichsbeamten nicht.
5) Die Naturalisation wird also in diesem Falle nicht stillschweigend, sondern
durch eine besondere Urkunde erteilt. 6) Vgl. Cahn S. 9.