Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

180 8 19. Der Verlust der Staatsangehörigkeit. 
Voraussetzung gilt auch, wie sich aus der Entstehungsgeschichte des 
8 21 ergibt, von dem in $ 21, Abs. 5 erwähnten Falle !). 
Die Reichsregierung ist ermächtigt, durch Staatsvertrag mit 
ausländischen Staaten die zehnjährige Frist für Deutsche, welche sich 
in einem Staate des Auslandes?) mindestens fünf Jahre lang ununter- 
brochen aufhalten, bis auf eine fünfjährige zu vermindern (8 21, 
Abs. 3)3). 
IV. Der Grundsatz, daß die Staatsangehörigkeit durch Abstammung 
erworben wird und auch für Personen, die sich im Auslande auf- 
halten, durch mühelose Formalitäten von Generation zu Generation 
erhalten werden kann, hat eine Folge, welche allgemein als ein Uebel- 
stand empfunden wird, nämlich das Anwachsen des Ausländertums in 
der Staatsbevölkerung. Der Ausländer kann allerdings ausgewiesen 
werden und er ist von den politischen Rechten ausgeschlossen, dafür 
ist er aber frei vom Militärdienst, vom Gerichtsdienst und in der Regel 
von der Einkommensteuer. Es unterliegt keinem Zweifel, daß diese 
Bevorzugungen in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle jene Rechts- 
verkürzungen an praktischem Werte weit übersteigen und daß die 
Ausländer, welche an allen Wohltaten des Staatslebens, dem Rechts- 
schutz, der Wohlfahrtspflege, den gemeinnützigen Einrichtungen vollen 
Anteil haben, der staatsangehörigen Bevölkerung gegenüber als eine 
privilegierte Klasse erscheinen. Die konsequente Durchführung 
des reinen Abstammungsprinzips erweist sich daher als schädlich für 
angehörigkeit verloren hat, nicht in irgend einem deutschen Staate die Staatsange- 
hörigkeit wieder erwirbt — was nur auf seinen Antrag geschehen kann — bleibt er 
Nichtdeutscher im staatsrechtlichen Sinne, selbst wenn er in keinem fremden Staate 
die Staatsangehörigkeit erworben hat. Urteildes Bundesamtes f. H. vom 
13. Februar 1886 bei Reger Bd. 7, S. 281. Dies ist praktisch ein Mißstand; denn 
ein solcher wieder eingewanderter Deutscher und alle seine agnatischen Nachkommen 
bleiben Ausländer und mithin von den staatsbürgerlichen Pflichten frei, aber aller- 
dings auch der Gefahr der Ausweisung aus dem Reichsgebiet ausgesetzt; doch braucht 
kein fremder Staat sie aufzunehmen. 
1) Cahn S. 179 fg. Entsch. des preuß. Oberverwaltungsger. vom 3. Februar 1894 
beiReger Bd. 14, S. 301 fg. Plenarentsch. des bayer. VGH. vom 23. April 1897 
beiReger Bd. 18, S. 99 1g. 
2) Nicht im Auslande schlechtweg, sondern in demselben Staate während der 
ganzen Frist. 
3) Veranlassung hierzu war der Art. 1 des Vertrages mit Nordamerika vom 
22. Februar 1868 (Gesetzbl. S. 228). Von den süddeutschen Staaten sind 1868 im we- 
sentlichen übereinstimmende Verträge abgeschlossen worden. Es sollte nicht nur 
dieser Vertrag in Kraft bleiben, sondern der Reichsregierung auch die Möglichkeit 
gewährt werden, ähnliche Verträge mit anderen Staaten zu schließen. Ueber diesen 
Vertrag vgl. Thudichum S. 94ff.; v. Martitz in Hirths Annalen 1875, S. 827 ff.; 
Wesendonk ebenda 1877, S. 204 ff.; G. Meyer, Staatsrecht 8 79; Seydel, 
Bayer. Staatsrecht I, S.292; Cahn S. 167 fg.; das Urteildes Reichsgerichts 
(Strafsachen) vom 2. Juni 1881 bei Reger Bd.1, S. 423 fg. und das Urteil 
des preuß. Oberverwaltungsgerichts vom 13. Oktober 1886 bei Reger 
Bd. 7, S. 283 fg.
	        
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