Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

8 20. Der Verlust der Staatsangehörigkeit. 181 
die Interessen des Staates und führt zu ungerechten Ungleichheiten. 
In dieser Erwägung sind Abweichungen von diesem, dem Reichsgesetz 
zugrunde liegenden Prinzip festgesetzt worden in den Verträgen 
mit Guatemala vom 20. Sept. 1887 Art. 10 (RGBl. 1888 S. 244), 
mit Honduras vom 12. Dez. 1887 Art. 10 (RGBl. 1888 S. 269) und 
mit Nicaragua vom 4. Februar 1896 (RGBl. 1899 S. 171) Art. 10. 
Obgleich die deutschen Staatsangehörigen, welche in Nicaragua 
leben, und die Nicaraguaner, welche in Deutschland leben, ihre Staats- 
angehörigkeit auf die im Aufenthaltsstaat geborenen ehelichen Kinder 
vererben, so müssen dessenungeachtet die Söhne, sobald sie nach den 
Gesetzen ihres Vaterlandes die Großjährigkeit erlangen, durch be- 
glaubigte Urkunden nachweisen, daß sie die auf den Militär- 
dienst ihrer Nation bezüglichen Gesetze genau erfüllt haben 
oder zu erfüllen im Begriffe stehen, und sie können, falls sie innerhalb 
eines Jahres nach erlangter Großjährigkeit dieser Bestimmung nicht 
nachkommen, als Bürger des Landes ihrer Geburt angesehen (also zur 
Leistung des Militärdienstes angehalten) werden. Ferner können die 
Nachkommen derjenigen Individuen, welche die Nationalität ihres 
Vaters auf Grund dieser Bestimmung bewahrt haben, als Bürger des- 
jenigen Landes betrachtet werden, in welchem sie geboren sind. 
In der dritten Generation tritt daher das Territorialprinzip 
an Stelle des Abstammungsprinzips ein. Man darf annehmen, daß diese 
oder ähnliche Grundsätze in Zukunft durch die Staatsverträge des 
Reichs weitere Geltung und Anwendung erhalten werden. 
V. Durch einseitigen Rechtsakt der Staatsregierung kann 
die Staatsangehörigkeit entzogen werden in den bereits oben erörterten 
Fällen des 8 20 und $ 22 des Gesetzes vom 1. Juni 1870 (siehe S. 147, 
149, 155 Note 1). Die Entziehung erfolgt im Verwaltungswege durch 
einen Beschluß: kompetent dazu ist nur die Zentralbehörde, nicht wie 
bei der Erteilung der Entlassung auf Antrag die höhere Verwaltungs- 
behörde. Ueber die Wiederverleihung der Staatsangehörigkeit 
an Personen, denen dieselbe entzogen worden ist, bestimmt das Gesetz 
vom 1. Juni 1870 nichts. Dagegen enthält $4 des (aufgehobenen) Ge- 
setzes vom 4. Mai 1874 die Anordnung, daß Personen, welche nach 
den Vorschriften dieses Gesetzes ihrer Staatsangehörigkeit in einem 
Bundesstaate verlustig erklärt worden sind, dieselbe auch in jedem 
anderen Bundesstaate verlierenundohne Genehmi- 
gung des Bundesrats in keinem Bundesstaate die 
Staatsangehörigkeit von neuem erwerben können. 
Sollen die 88 20 und 22 des Gesetzes vom 1. Juni 1870 nicht illusorisch 
und wirkungslos sein, so muß dieses Prinzip auch auf diejenigen Per- 
sonen ausgedehnt werden, welche nach Maßgabe dieser Paragraphen 
ihre Staatsangehörigkeit verloren haben !). 
1) Uebereinstimmend Zorn I, S. 368 und in v. Stengels Wörterb. II, S. 343; 
dagegen beschränken Seydela.a.0. I, S. 288, Note 44; G. Meyer 878, Note 4;
	        
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