Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

196 8 21. Begriff und staatsrechtliche Natur des Bundesgebietes. 
hoheit der Einzelstaaten insoweit berücksichtigt, als die einzelnen 
Landesregierungen von den Ernennungen der Reichspost- und Tele- 
graphenbeamten, soweit dieselben ihre Gebiete betreffen, und von den 
ihre Kontingente betreffenden Veränderungen, Avancements und Er- 
nennungen Mitteilung erhalten. (Reichsverfassung Art. 50, 66.) 
Zu erwähnen ist hier auch das Recht des Kaisers, innerhalb 
des Bundesgebietes die Garnisonen zu bestimmen (Reichsver- 
fassung Art. 63, Abs. 4), und andererseits die territorialen Militärhoheits- 
rechte der Einzelstaaten (siehe Bd. 4, $ 99, Ziff. 2). 
Ueber die Bedeutung, welche für die Reichstagswahlbezirke aus- 
nahmsweise den Staatsgebieten zukommt, vgl. unten $ 32. 
Il. Soweit die eigene Verwaltung der Einzelstaa- 
tensich erstreckt — und zwar gleichviel, ob dem Reiche die 
Gesetzgebung und Aufsicht zusteht oder ob die Einzelstaaten auch die 
Autonomie haben -— kommt die Gebietshoheit der Einzel- 
staaten zu voller Geltung. 
Für die Erhebung und Verwaltung der Zölle und Verbrauchsab- 
gaben, für die Tätigkeit der Eichungsämter, der Strandämter, für die 
Handhabung der Gewerbeordnung, für die Zuständigkeit der Gerichte 
auch in den reichsgesetzlich geregelten Materien besteht das Territorial- 
prinzip innerhalb der Einzelstaaten in demselben Umfange, wie hin- 
sichtlich der Erhebung direkter Steuern, der Aufsicht über Kirchen 
und Schulen, über Gemeinden, über Forsten und Bergwerke Dem 
Reiche ist hier ein Eingriff in die Gebietshoheit eines einzelnen Staates, 
eine Bestimmung über die Abgrenzung, Zusammenlegung oder Teilung 
der Verwaltungsdistrikte u. dergl. entzogen. Es steht ihm frei, auf 
verfassungsmäßigem Wege den Bereich der Selbstverwaltung aller 
einzelnen Staaten einzuschränken und den der Reichsverwaltung aus- 
zudehnen; aber nicht über die von ihm reichgesetzlich gezogenen und 
für alle Staaten geltenden Grenzen der Selbstverwaltung in die Gebiets- 
hoheit eines oder mehrerer einzelnen Staaten überzugreifen. Es wäre 
dies eine Verletzung von jura singulorum. (Siehe oben S. 128.) 
Ebensowenig aber können die Behörden eines Bundesstaates Ho- 
heitsrechte auf dem Gebiete eines anderen ausüben, selbst wenn die 
Ausübung dieser Hoheitsrechte für das ganze Bundesgebiet einheitlich 
ber 1871 (Reichsgesetzbl. 1870, S. 274; 1872, S. 1); Gebietsteile Preußens gehören zum 
Bezirk der Direktion in Dresden u. s. w. Ueber die Abgrenzung der Bezirke der 
Disziplinarkammern vgl. die Verordnung vom 11. Juli 1873 (Reichsgesetzbl. 
S. 293), welche nicht bloß die kleineren Staaten benachbarten Bezirken zulegt, son- 
dern auch sie an verschiedene Bezirke weist, z. B. der hessische Kreis Wimpfen ge- 
hört nicht nach Darmstadt, sondern nach Karlsruhe u. s. w. Die Einteilung des Bun- 
desgebietesin Armeekorpsbezirke, derselben in Divisions- und Brigadebezirke 
und derselben — „je nach Umfang und Bevölkerungszahl“ — in Landwehrbataillons- 
und Landwehrkompagniebezirke überläßt das Reichsmilitärgesetz vom 1. Mai 1874, 
85 dem Reiche. Auch die Bezirke der Berufsgenossenschaften der Unfallversicherung 
können hier erwähnt werden.
	        
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