Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

$ 28. Der Schutz des Gebietes. 205 
fremden Staate Eingriffe in die Gebietshoheit gestatten; dies kann nur 
das Reich selbst. Die Bestellung von Staatsservituten, die Erlaubnis 
von Truppendurchmärschen, der Abschluß von Kartellkonventionen, 
sowie jede andere Einschränkung der Gebietshoheit zugunsten eines 
außerdeutschen Staates kann für das gesamte Bundesgebiet und jeden 
Teil desselben nur vom Reiche gewährt werden!). Die Reichsver- 
fassung schließt zwar keineswegs das Recht der Einzelstaaten aus, 
auch mit auswärtigen Staaten Verträge zu schließen; diese Verträge 
dürfen aber keinen Inhalt haben, welcher mit der Souveränität des 
Reiches im Widerspruch steht, und ein solcher Widerspruch würde 
vorhanden sein, wenn einem fremden Staate die Ausübung staatlicher 
Hoheitsrechte in einem Teile des Bundesgebietes eingeräumt werden 
würde. 
Ebensowenig kann der Einzelstaat feindliche Angriffe eines aus- 
wärtigen Staates dulden oder verzeihen oder mit ihm über die zu lei- 
stende Genugtuung sich verständigen; denn nicht bloß der Einzelstaat, 
sondern das Reich selbst erscheint als verletzt und angegriffen. Ob- 
wohl weder die Reichsverfassung noch die Reichsgesetze das Prinzip 
selbst allgemein aussprechen, so tritt es doch in einer Reihe von An- 
wendungsfällen zutage. 
a) Nach Reichsverfassung Art. 11 hat der Kaiser das Recht, im 
Namen des Reiches Krieg zu erklären, und zwar ohne daß die Zu- 
stimmung des Bundesrates erforderlich ist, wenn ein Angriff auf das 
Bundesgebiet oder dessen Küsten erfolgt. Dieses Recht ist nicht 
nur unabhängig davon, daß der Einzelstaat, gegen dessen Gebiet der 
Angriff erfolgt ist, die Hilfe des Reiches verlangt; sondern es besteht 
selbst dann, wenn der Einzelstaat gegen diese Hilfe protestieren und 
sich direkt mit dem Gegner vergleichen wollte. 
b) Der Eintritt von Angehörigen fremder Staaten in das Bundes- 
gebiet unterliegt der Gesetzgebung und Beaufsichtigung des Reiches, 
indem Art. 4, Ziff. 1 der Reichsverfassung das Paßwesen und die 
Fremdenpolizei der Reichskompetenz zuweist. Das Gesetz über 
das Paßwesen vom 12. Oktober 1867 89°) ermächtigt den Kaiser, 
1) Einige Schriftsteller sind der Ansicht, daß die Einzelstaaten ohne Zustimmung 
des Reichs Staatsservituten insoweit bestellen können, als die Ausübung derselben 
in die Zuständigkeitssphäre der Einzelstaaten fällt; so Hänel], S. 557, Note 22; 
G. Meyer &$ 80, Note 16 u. a.: allein Hoheitsrechte auswärtiger Staaten an einem 
Teile des Reichsgebiets beschränken immer zugleich die souveräne Gewalt des Reichs, 
können also immer nur mit dessen Zustimmung eingeräumt werden. — Zur Zustän- 
digkeit der Einzelstaaten gehört zweifellos die Zollverwaltung; der Staatsvertrag 
vom5.Dezember 1896 (Reichsgesetzbl. 1897, S. 195) betreffend die Einrichtung 
schweizerischer Nebenzollämter auf badischem Gebiet ist aber nicht von Baden, son- 
den vom Reich mit der Eidgenossenschaft abgeschlossen worden. 
2) Dieses Gesetz ist in den süddeutschen Staaten bei der Reichsgründung ein- 
geführt worden; in Elsaß-Lothringen dagegen ist die Einführung unterblieben. Ueber 
die in Els.-Lothr. geltenden Vorschriften vgl. Bruck, Verf. u. Verwaltungsr. von 
E.-L. Bd. I, S. 71.
	        
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