8 23. Der Schutz des Gebietes. 207
über die Herstellung von Eisenbahnverbindungen würde, wenn in
solchen Verträgen zugunsten des Auslandes Beschränkungen der Ge-
pietshoheit zugestanden werden sollten, Sache des Reiches, nicht des
Einzelstaates sein ?).
2.Im Innern des Bundesgebietes hat das Reich ent-
sprechend der ihm obliegenden Schutzpflicht das Recht, die zur Ver-
teidigung und Sicherung erforderlichen Maßregeln anzuordnen, ohne
Rücksicht auf die Landesgrenzen und die Gebietshoheit des Einzel-
staates. Auch hier erscheint das Bundesgebiet als Einheit. Anwendungs-
fälle sind folgende:
a) Der Kaiser hat das Recht, innerhalb des Bundesgebietes die
kriegsbereite Aufstellung eines jeden Teils des Reichsheeres anzuordnen
(Reichsverf. Art. 63, Abs. 4), sowie Festungen innerhalb des Bundes-
gebietes anzulegen (Reichsverf. Art. 65). Die Zustimmung des Einzel-
staates, in dessen Gebiet die Anlage gemacht wird, ist nicht erforder-
lich, abgesehen von Bayern, welchem in dem Vertrage von Versailles
Ziff. III, $ 5, Nr. V, in dieser Beziehung ein Sonderrecht zugestanden
worden ist. In untrennbarem Zusammenhange damit steht die Be-
fugnis, die zur Anlage fortifikatorischer Werke erforderlichen Grund-
stücke zu expropriieren und die in der Umgebung von Festungen
liegenden Grundstücke Gebrauchsbeschränkungen zu unterwerfen?). In
ähnlicher Weise ist in den Bezirken der Reichskriegshäfen den zu-
ständigen Marinebehörden des Reichs die Befugnis erteilt worden, die
durch den Zweck dieser Häfen gebotenen Anordnungen zu treffen).
b) Der Kaiser kann, wenn die öffentliche Sicherheit in dem Bundes-
gebiete bedroht ist, einen jeden Teil desselben in Kriegszustand er-
klären, Reichsverf. Art. 68. Auch dieses Recht ist für Bayern bis zum
Erlaß eines Reichsgesetzes ausgeschlossen *). Bei der Abgrenzung des
in Kriegszustand zu erklärenden Teiles des Bundesgebietes braucht der
Kaiser nicht die Grenzen der einzelnen Staatsgebiete zu berücksichtigen;
sie sind in dieser Beziehung nicht vorhanden °).
c) Das Reich ist befugt, Eisenbahnen, welche im Interesse der Ver-
teidigung Deutschlands oder im Interesse des gemeinsamen Verkehrs
1) Uebereinstimmend Pröbst in Hirths Annalen 1882, S. 248, 256. Die Eisen-
bahnverträge mit dem Auslande, welche preußisches Gebiet betreffen, sind seit der
Gründung des Reiches im Namen des Reiches geschlossen worden. Vgl. Ernst
Meier, Abschluß von Staatsverträgen S. 272. In eigenartiger Weise ist dies zum
Ausdruck gekommen in dem Eisenbahnvertrag mit Rußland vom 6. Dez. 1904, welchen
„der deutsche Kaiser im Namen des Deutschen Reichs, das hierbei
Preußen auf dessen Antrag vertritt“, abgeschlossen hat. RGBl. 1905 S. 11. Durch
diese Formel ist die Entscheidung der Frage, ob zum Abschluß dieser Verträge das
Reich oder die Einzelstaaten zuständig sind, umgangen worden.
2) Gesetz vom 21. Dezember 1871 (Rayongesetz), Reichsgesetzbl. S. 459.
3) Gesetz vom 19. Juni 1883, 8 2ff., Reichsgesetzbl. S. 105.
4) Vertrag von Versailles Ziff. III, 8 5, Nr. VI.
5) Die Verordnung vom 21. Juli 1870 erklärte in Kriegszustand „die Bezirke des
8., 11., 10., 9., 2. und 1. Armeekorps“.