Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

8 23. Der Schutz des Gebietes. 209 
Einzelstaaten in demselben Umfange fort wie ihre Staatsgewalt über- 
haupt, was z. B. in Ansehung der Enteignungsbefugnis, der Regalien, 
des Rechts auf herrenlose oder verlassene Grundstücke deutlich zu- 
tage tritt. 
Eine besondere Betrachtung erfordern nur noch die Ausweisung 
und die Internierung. 
1. Das Reichsstrafgesetzbuch gestattet in einigen Fällen die Aus- 
weisung von Ausländern aus dem Bundesgebiete. Nach 8 39, Nr. 2 
ist die höhere Landespolizeibehörde befugt, den Ausländer, gegen wel- 
chen auf Polizeiaufsicht erkannt ist, aus dem Bundesgebiete zu ver- 
weisen. Vgl. 8 284, 362 Abs. 3, sowie das (aufgehobene) Gesetz vom 
21. Oktober 1878 gegen die Sozialdemokratie 8 22, Abs. 2. Obwohl 
die Ausweisung von der Behörde des Einzelstaates verfügt wird, er- 
streckt sie ihre Wirkung auf das ganze Bundesgebiet. In der Staats- 
gewalt des einzelnen Bundesstaates kann unmöglich die Befugnis ent- 
halten sein, jemanden aus den Gebieten der übrigen Bundesstaaten 
auszuweisen. Es handelt sich vielmehr hier um eine Anwendung der 
selbständigen Gebietshoheit des Reiches am Bundesgebiet; die Landes- 
polizeibehörden üben ein Hoheitsrecht des Reiches, nicht ihres Staates 
aus, welches ihnen durch 8 39 des Strafgesetzbuches zur Handhabung 
übertragen ist! Es steht damit im Einklang, daß die in einem Staate 
verfügte Ausweisung in den übrigen Staaten keiner Bestätigung für 
deren Gebiete bedarf und daß es unzulässig ist, daß die Landespolizei- 
behörde eines Einzelstaates die Ausweisung nur für das Gebiet dieses 
Staates verfüge?). Dieser Bedeutung der Verweisung entspricht es auch, 
daß dieselbe in dem vom Reichskanzleramt herausgegebenen Zentral- 
blatt für das Deutsche Reich bekannt gemacht wird’). 
2. Die Internierung innerhalb des Bundesgebietes ist im All- 
gemeinen den Staatsbehörden nicht gestattet; sie steht im Widerspruch 
mit dem reichsgesetzlich sanktionierten Grundsatz der Freizügigkeit 
und kann auch Fremden gegenüber wegen der 8 5 und 6 des Ein- 
führungsgesetzes zum Strafgesetzbuch nicht in Anwendung gebracht 
werden. Nur ausnahmsweise war sie zugelassen gegen reichsangehörige 
Jesuiten auf Grund des Reichsgesetzes vom 4. Juli 1872, und zwar 
konnte auch hier die Landespolizeibehörde*) die Internierung in dem 
Gebiete eines anderen Staates verfügen. Es bedarf keiner Ausfüh- 
1) Es verhält sich hier also ebenso wie mit dem Recht, Einfuhrverbote auf grund 
des Gesetzes vom 7. April 1869 zu erlassen. 
2) Nicht zu verwechseln mit dieser Ausweisung von Ausländern aus dem Reichs- 
gebiet auf grund von Reichsgesetzen ist die Verweisung von Reichsfremden 
aus dem Gebiete eines Einzelstaates aus Gründen der öffentlichen Sicherheit 
oder Wohlfahrt. Vgl. oben 8 16, S. 154. 
3) Ueber die seltenen Fälle, in denen eine Ausweisung von Reichsangehörigen 
aus dem Gebiet des Einzelstaates vorkommen kann, vgl. oben S. 160. 
4) Bundesratsbeschluß vom 5. Juli 1872, Nr. 3 (Reichsgesetzbl. S. 254).
	        
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