Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

8 26. Der Inhalt der kaiserlichen Rechte. 225 
Aeußerlich zeigt sich dieser Unterschied in der von der Regel ab- 
weichenden Form; der Titel heißt nicht »Kaiser von Deutschland«, 
sondern »deutscher Kaiser«; es fehlt die sachenrechtliche Beziehung 
auf ein Gebiet als Objekt. Wichtiger ist die materielle Verschiedenheit. 
Die sonst üblichen Titel der Souveräne werden von denselben, ebenso 
wie Namen, ganz allgemein, d.h. für alle denkbaren Beziehungen und 
Verhältnisse geführt. Dagegen sollte nach dem Wortlaut des Briefes 
des Königs von Bayern, welcher die Annahme des Kaisertitels 
in Anregung brachte, »die Ausübung der Präsidialrechte des Bundes« 
mit Führung des Titels eines deutschen Kaisers verbunden werden 
und in der Proklamation von Versailles vom 18. Januar 1871 
erklärte der Kaiser bei Verkündigung der Annahme der Kaiserwürde: 
»Demgemäß werden Wir und Unsere Nachfolger an der 
Krone Preußen fortan den kaiserlichen Titel in allen Unse- 
ren Beziehungen und Angelegenheiten des 
Deutschen Reiches führen.« 
Es ist demgemäß streng genommen und dem Charakter des kaiser- 
lichen Titels als eines obrigkeitlichen entsprechend die Führung des- 
selben beschränkt auf die Angelegenheiten des Reiches, auf die 
Ausübung der Präsidialbefugnisse, also auf diejenigen Fälle, in 
denen kaiserliche Funktionen verrichtet werden; dagegen ist er 
nicht anwendbar, wenn der Kaiser in seiner Eigenschaft als König von 
Preußen in Betracht kommt!'). 
Tatsächlich wird dies zwar nicht durchweg beobachtet. Jeder Titel, 
auch der reine Amtstitel, dient nicht bloß zur Bezeichnung eines Kreises 
von Rechten und Pflichten, einer Stellung oder eines Wirkungskreises, 
sondern seine Führung ist ein persönliches Ehrenrecht. 
Darauf beruht der allgemeine Gebrauch, daß man Titel zur individuali- 
sierenden Bezeichnung einer bestimmten Person verwendet, ohne die 
sachliche Bedeutung des Titels in Betracht zu ziehen. Ebenso wie 
man einem Beamten seinen Amtstitel auch in allen nichtamtlichen 
Verhältnissen und Beziehungen beilegt, lediglich als ehrende Bezeich- 
nung seiner Person, so wird auch der kaiserliche Titel ganz allgemein 
zur Bezeichnung seines Trägers angewendet, wenngleich derselbe nicht 
in seiner Eigenschaft als Oberhaupt des Reiches in Betracht kommt. 
Die Natur des kaiserlichen Titels zeigt sich aber darin, daß neben 
demselben der Titel des Königs von Preußen nicht außer Anwendung 
rungen Bd. 2, S. 119fg. Bismarck machte gegen den vom Kaiser Wilhelm gewünsch- 
ten Titel „Kaiser von Deutschland“ geltend, daß dieser Titel „einen landesherrlichen 
Anspruch auf die nichtpreußischen Gebiete involviere, den die Fürsten zu bewil- 
ligen nicht geneigt wären.“ Ueber die Vorgeschichte des Kaisertitels vgl. die ein- 
gehende und interessante Darstellung von W. Busch, Die Kämpfe um die RV. und 
das Kaisertum S. 115 ff. (Tüb. 1906). 
1) Bei dem Erlaß preußischer Staatsgesetze, königl. Verordnungen für Preußen, 
Bestallungs- und Entlassungsurkunden für preuß. Beamte u. s. w. wird demgemäß der 
Titel „deutscher Kaiser“ nicht gebraucht.
	        
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