8 26. Der Inhalt der kaiserlichen Rechte. 231
Der Kaiser ist auch in allen übrigen Beziehungen, in welche das Reich
zu dritten Personen treten kann, sein Vertreter. Insbesondere auch
bei allen privatrechtlichen (fiskalischen) Erwerbungen für
das Reich und Belastungen des Reiches. Zur Aufnahme von Anleihen
und zur Uebernahme von Garantien zu Lasten des Reiches, zur Ver-
äußerung von Reichsvermögen, zur Erwerbung von Vermögen für das
Reich und zu allen anderen privatrechtlichen Geschäften des Reichs-
fiikus mit Dritten ist allein der Kaiser, beziehentlich der von ihm zu
seiner Vertretung ermächtigte und von ihm ernannte Reichsbeamte,
der auf seinen Befehl und in seinem Namen handelt, befugt. Nicht
minder ist der Kaiser der Vertreter des Reiches bei allen Rechtsbe-
ziehungen zwischen dem Reiche und den Einzelstaaten. Bei der Be-
gründung oder Geltendmachung von Rechten und Pflichten zwischen
dem Reich und einem Gliedstaat wird der letztere durch seinen Landes-
herrn, die Gesamtheit (das Reich) durch den Kaiser vertreten.
Der Kaiser ist also der Vertreter des Reiches nicht nur in völker-
rechtlicher, sondern auch in staatsrechtlicher und privatrechtlicher
Beziehung.
2. Dem Kaiser liegt die Regierung desReiches ob.
Es entspricht dies der Befugnis und Verpflichtung des Vorstandes einer
Privatkorporation zur Geschäftsführung. Begrifflich beruht der
Gegensatz der Geschäftsführung und der Vertretung darauf, daß die
erstere eine lediglich innere Angelegenheit der Korporation ist, welche
die Vornahme aller, zur Erfüllung der Zwecke der Korporation er-
forderlichen Handlungen und Maßregeln umfaßt, während die Vertre-
tung nur Dritten gegenüber in Betracht kommt und darin besteht,
daß für die Korporation Dritten gegenüber durch den Vertreter Rechts-
verhältnisse begründet werden. Dieser Unterschied ist auch für das
Staatsrecht von sehr großer Bedeutung. Was man gewöhnlich Ver-
waltung oder auch in unpassender Weise »Exekutive« nennt und wor-
aus die frühere Theorie irrtümlich eine »exekutive Gewalt« gemacht
hat, entspricht diesem Begriff der Geschäftsführung, der für die Kor-
porationen und Gesellschaften des Privatrechts längst erkannt und fest-
gestellt ist. Er unterscheidet sich von ihm nur durch die Art der
Geschäfte; die Geschäfte des Staates sind öffentlich-rechtlichen Inhalts,
sie betreffen die Erfüllung der Aufgaben und Zwecke des Staates, die
Handhabung der ihm zukommenden Hobheitsrechte, die Förderung seines
Gedeihens; sie sind Regierungsgeschäfte.
Bei einem Teile dieser Geschäfte ist der Kaiser durch Verfassung
oder Gesetz an die Mitwirkung anderer Organe gebunden, nämlich des
Bundesrates und des Reichstages oder auch an die der Einzelstaaten.
Es ist ferner nicht zweifelhaft, daß bei Führung der Regierungsgeschäfte
die Reichsgesetze nicht verletzt werden dürfen; daß vielmehr die letz-
teren teils positiv den Inhalt der Regierungstätigkeit bestimmen, teils
negativ rechtliche Schranken für die Handlungsfreiheit des Kaisers bei