8 30. Die formelle Erledigung der Geschäfte des Bundesrates. 277
sion derselben ist erfolgt durch Beschluß vom 26. April 1880').
I. Der Bundesrat ist nach der RV. keine ständige Versammlung,
wie es der Bundestag in Frankfurt a. M. war, oder wie es dem Begriff
eines Reichsministeriums entsprechen würde, sondern er tritt nur zeit-
weise auf Berufung zusammen.
1. Die Berufung des Bundesrates und ebenso die Eröffnung,
Vertagung und Schließung desselben steht dem Kaiser zu. Reichs-
verfassung Art. 12. Der Bundesrat kann sich demgemäß nicht aus
eigener Initiative versammeln und ein Beschluß, welchen derselbe etwa
fassen würde vor seiner Eröffnung oder nach seiner Vertagung oder
Schließung durch den Kaiser, wäre verfassungswidrig und deshalb nichtig.
2. Im allgemeinen ist es in die freie Entschließung des Kaisers
gestellt, ob er den Bundesrat berufen will oder nicht; hiervon gibt
es aber zwei Ausnahmen, indem eine Berufung des Bundesrates er-
folgen muß:
a) wenn der Reichstag einberufen wird. Reichsverfassung Art. 13.
So lange der Reichstag versammelt ist, muß auch der Bundesrat ein-
berufen sein, da der Bundesrat über die dem Reichtstage zu machen-
den Vorlagen und die vom Reichstage gefaßten Beschlüsse zu beschließen
hat. Es kann aber der Bundesrat allein, ohne den Reichstag, einbe-
rufen werden, was namentlich wegen der Vorbereitung der dem
Reichstage zu machenden Vorlagen erforderlich ist;
b) wenn ein Drittel der Stimmenzahl des Bundesrates die Berufung
verlangt. Reichsverfassung Art. 14. Da der Bundesrat 58 Stimmen
zählt, 19 Stimmen also nicht vollständig ein Drittel ausmachen, so
müssen, wenn der Kaiser nicht kraft eigener Befugnis den Bundesrat
einberufen will, 20 Stimmen zu dem Verlangen auf Berufung sich
vereinigen.
3. Da der Reichstag und mithin auch der Bundesrat alljährlich
berufen werden müssen (Reichsverfassung Art. 13), so unterscheidet
man ordentliche und außerordentliche Sitzungsperioden des Bundesrates.
Die ersteren sind diejenigen, welche mit den ordentlichen Sitzungs-
perioden des Reichstages zusammenfallen, unbeschadet der Abweichung,
daß sie früher eröffnet und später geschlossen werden können. Außer-
ordentliche Sessionen sind alle übrigen Fälle, in denen der Bundesrat
berufen wird. Eine staatsrechtliche Bedeutung hat die Unterscheidung
nicht. Zwischen den verschiedenen Sessionen des Bundesrates besteht
das sogenannte Prinzip derKontinuität, d.h. Angelegenheiten,
welche in einer Sitzungsperiode nicht völlig erledigt sind, werden in
einer folgenden Sitzungsperiode an dem Punkte, bis zu welchem sie
gediehen sind, fortgeführt. Es ist nicht erforderlich, daß sie den ge-
—
1) Eine Aenderung erfolgte unterm 31. Januar 1895 gemäß der Angabe Seydels
Kommentar S. 150. Dierev. Geschäftsordnung ist abgedruckt in Triepels Quellen-
sammlung (2. Ausg. S. 227.