Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

8 2. Die Gründung des Norddeutschen Bundes. 19 
und Genehmigung durch den preußischen Landtag und mithin, da das 
gleiche Recht jedem anderen norddeutschen Staat nicht versagt werden 
konnte, durch mehr als 20 landständische Versammlungen vorbehalten 
werden). Durch das Augustbündnis waren die Regierungen nur ver- 
pflichtet, eine mit dem Reichstage vereinbarte Bundesver- 
fassung anzunehmen; jeder Versuch eines Einzellandtages, an der 
Feststellung dieser Verfassung positiven Anteil zu nehmen, hätte sie 
ihrer vertragsmäßigen Verpflichtung entbunden. Die Hoffnung auf die 
Herstellung des Bundes hing jetzt nicht nur davon ab, daß die Ver- 
einbarung zwischen den Regierungen und dem Norddeutschen Reichs- 
tage gelingen werde, sondern daß auch sämtliche Landtage der Ver- 
suchung, die vereinbarte Verfassung verbessern zu wollen, widerstehen 
würden. Auch an den Bestimmungen des Wahlgesetzes wurde amen- 
diert?), obwohl die vertragsmäßige Verpflichtung der Regierungen aus- 
drücklich darauf gerichtet war, die Wahlen auf Grund des Reichswahl- 
gesetzes vom 12. April 1849 vornehmen zu lassen. 
Dessen ungeachtet fügte sich die Regierung und vermochte auch 
das Herrenhaus, der von dem Abgeordnetenhause beliebten Fassung 
zuzustimmen’), sodaß am 15. Oktober 1866 das Wahlgesetz für Preußen 
publiziert und kurz darauf in dem Jadegebiet und in den neuerwor- 
benen Landesteilen durch königliche Verordnung eingeführt werden 
konnte*). Auch in allen übrigen Staaten wurde auf verfassungsmäßigem 
Wege das Wahlgesetz für den Reichstag zustande gebracht; in einigen, 
namentlich in Mecklenburg, dem vom preußischen Abgeordnetenhause 
1) Zorn, Staatsrecht I, 23 fg., behauptet, daß „die Tätigkeit des sogenannten 
konstituierenden Reichstages gar keine andere als eine beratende sein konnte, 
und wenn der Augustvertrag dem Parlament eine ‚verfassungsvereinbarende‘ Tätig- 
keit vindiziert und alle 22 Einzelstaatsgesetze dies sanktioniert hätten, so wäre die 
Tätigkeit dieses Parlaments doch nur eine beratende gewesen“. Dies schießt über 
das Ziel hinaus. Die Einzelstaaten waren durch nichts gehindert, durch ein in ver- 
fassungsmäßiger Weise zustande gekommenes Gesetz im voraus die zwischen den 
Regierungen und dem Parlament zu vereinbarende Verfassung anzuerkennen. 
Die im Februar 1867 zusammentretende Versammlung hätte ebenso gut an die Stelle 
der 22 Volksvertretungen der Einzelstaaten gesetzt werden können, wie gleich dar- 
auf das sogenannte Zollparlamentals gemeinschaftliche Vertretung der Bevölke- 
rungen der Zollvereinsstaaten an die Stelle der Volksvertretungen der letzteren 
getreten ist. Der Zollverein von 1867 war doch auch kein „Staat“ und hatte dennoch 
ein Parlament, dem es an einer rechtswirksamen Tätigkeit doch gewiß nicht fehlte. 
Die Volksvertretungen der Einzelstaaten, voran das preuß. Abgeordnetenhaus, wollten 
nur nicht den verbündeten Regierungen und dem nach dem Wahlgesetz von 1849 zu 
wählenden sogenannten Reichstage die „Vereinbarung“ der Bundesverfassung 
überlassen. Ueber die Gründe, welche dieses Verhalten gerechtfertigt erscheinen 
lassen, vgl. jetzt Mejer, Einleitung S. 284 ff. und Hänel, Staatsr. I, S. 24 ff. 
2) Vgl.denKommissionsberichtdes Abgeordnetenhauses (Berichterstatter Twesten) 
vom 4. September 1866 (auch bei Hahn S. 467 ff.). 
3) Vgl. die Erklärung des Regierungskommissars im Herrenhause vom 17. Sep- 
tember 1866. Auch bei Hahn S. 478. 
4) Preuß. Gesetz-S. 1886, S. 735, 738, 891, 8985.
	        
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