Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

280 8 30. Die formelle Erledigung der Geschäfte des Bundesrates. 
wenngleich ein solcher Generalstellvertreter ernannt ist, doch nicht 
behindert, den Vorsitz entweder selbst zu übernehmen oder ein anderes 
Mitglied des Bundesrates durch schriftliche Substitution nach Art. 15 
der Reichsverfassung mit dem Vorsitz zu betrauen !). 
4. Die Leitung der Geschäfte, welche nach Art. 15 der 
Reichsverfassung dem Reichskanzler zusteht, ist in der Geschäftsord- 
nung des Bundesrates näher spezialisiert. Darnach hat der Reichs- 
kanzler die Sitzungen anzuberaumen und zu eröffnen’). An ihn ge. 
langen die Mitteilungen des Reichstages, die Anträge der einzelnen 
Bundesstaaten und alle sonstigen an den Bundesrat gerichteten Ein- 
gaben °). »Der Reichskanzler kann Eingaben, die unzweifelhaft nicht 
zum Geschäftskreise des Bundesrates gehören, sofort selbst in geeigneter 
Weise erledigen und Beschwerden, aus denen nicht erhellt, daß der 
gesetzliche Instanzenzug erschöpft ist, zur Zeit zurückweisen« ‘). 
Die in dieser Weise nicht erledigten Angelegenheiten werden vom 
Reichskanzler entweder auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung 
gebracht oder, wenn sie sich auf eine bereits einem Ausschuß über- 
wiesene Vorlage beziehen, diesem Ausschuß vorgelegt, wovon dem 
Bundesrate in der nächsten Sitzung Anzeige gemacht wird°). Der 
Reichskanzler hat die zur Ausführung der Beschlüsse des Bundesrates 
erforderlichen Verfügungen zu treffen ®). 
Ill. Ueber die Sitzungen des Bundesrates und die Ordnung 
des Geschäftsganges bestehen folgende Regeln. 
1. Die Bevollmächtigten werden schriftlich zu den Sitzungen ein- 
geladen. Die Einladungen werden vorbehaltlich ganz dringender Fälle 
am lage vor der Sitzung den Mitgliedern des Bundesrates zugestellt”). 
Außer der Adresse und der Zeit der Sitzung sind in der Einladung, 
soweit als möglich, die Gegenstände der Beratung anzugeben. 
Es ist daher nicht ausgeschlossen, daß Gegenstände zur Beratung 
kommen, welche in der in der Einladung enthaltenen Tagesordnung 
nicht aufgeführt sind. Ausgenommen ist jedoch die Wahl für einen 
1) Siehe Hensela. a. O. S. 59 und unten 8 40. Seydel, Kommentar S. 170 
ist der Ansicht, daß auch der Generalstellvertreter des Reichskanzlers einer schriftlichen 
Substitutionsvollmacht bedürfe. Die Frage ist wohl nicht von praktischer Bedeutung. 
2) Rev. Geschäftsordn. 8 13. 3) Rev. Geschäftsordn. 8 8, 9. 
4) Rev. Geschäftsordn. $ 9, Abs. 2. 
5) Rev. Geschäftsordn. 8 9 und 11. Die auf Grund des 8 66, Abs. 2 des Reichs- 
beamtengesetzes eingehenden Rekurse werden von dem Vorsitzenden, ohne Vortrag 
im Plenum, unmittelbar dem Ausschuß für Justizwesen überwiesen. Der Vorsitzende 
desselben ernennt den Referenten; über die Beschlußfassung wird ein Protokoll ab- 
gefaßt, welches die für maßgebend erachteten tatsächlichen und rechtlichen Momente 
und das Stimmenverhältnis der Abstimmung enthält. Der Bericht des Ausschusses 
an den Bundesrat wird in der Regel mündlich erstattet. Rev. Geschäftsordn. 8 10 
(beruht auf einem Beschluß des Bundesrates von 1874, Protokoll 8 116). 
6) Rev. Geschäftsordn. 8 27. 
7) Rev. Geschäftsord. 8 13.
	        
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