Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

8 34. Die Bildung des Reichstages. Das Wahlrecht. 325 
und Berichtigung der Wählerlisten steht denjenigen Behörden zu, 
welche die allgemeine Aufsicht über die Gemeindevorstände und Orts- 
vorstände führen !). 
3. Zur Vorbereitung der Wahlhandlung gehört außer der Fest- 
stellung der Wählerlisten noch die Bestimmung des Lokals und die 
Ernennung eines Wahlvorstehers und eines Stellvertreters des- 
selben für jeden Wahlbezirk ?.. Es liegt dies der zuständigen Behörde 
ob, über welche die Anlage D zum Wahlreglement für die Einzel- 
staaten Auskunft gibt’). Mindestens acht Tage vor dem Wahltermin 
ist die Abgrenzung der Wahlbezirke, ferner für jeden Wahlbezirk das 
Wahllokal, der Wahlvorsteher und Stellvertreter, und die Bestimmung, 
daß die Wahlhandlung um 10 Uhr vormittags beginnt und um 7 Uhr 
nachmittags geschlossen wird, durch die zu amtlichen Publikationen 
dienenden Blätter zu veröffentlichen und von den Gemeindevorständen 
in ortsüblicher Weise bekannt zu machen‘). 
Mindestens zwei Tage vor dem Wahltermin ernennt der Wahl- 
vorsteher aus der Zahl der Wähler, d. h. Wahlberechtigten seines 
Bezirkes einen Protokollführer und drei bis sechs Beisitzer, indem er 
sie einladet, beim Beginn der Wahlhandlung im Wahllokal zur Bil- 
dung des Wahlvorstandes zu erscheinen). Ihre Funktion ist ein 
unentgeltliches Ehrenamt. Wahlvorsteher, Beisitzer und Protokollführer 
1) Unordnungen oder Nachlässigkeiten der Kommunalbehörden in der Aufstellung 
und Berichtigung der Wählerlisten sind Pflichtwidrigkeiten und können als solche 
Disziplinarstrafen herbeiführen. Wenn begründete Reklamationen unberück- 
sichtigt geblieben sind, kann auch eine Anfechtung der Wahl darauf gestützt werden. 
Wenn dagegen die Reklamationsfrist unbenützt gelassen worden ist, so kann die 
Wahl nicht wegen der Mangelhaftigkeit der Liste angefochten werden, da die Offen- 
legung der Liste und das Reklamationsrecht ja gerade dazu dienen, die Liste formell 
festzustellen. Vgl. Drucksachen des Reichstags 1879, Nr. 232, Bd.6, S. 1525; Seydel 
S. 872, Note 4. Der Reichstag ist aber allerdings tatsächlich in der Lage, wegen 
erheblicher Unrichtigkeit der Liste, namentlich wenn sie auf einem tendenziösen 
Verhalten der Behörden beruht, eine Wahl zu kassieren. Es kann sich in diesem 
Falle der Mißstand ergeben, daß, wenn die Ersatzwahl innerhalb eines Jahres nach 
den allgemeinen Wahlen stattfindet, sie nach Maßgabe der früheren Listen stattfinden 
kann, also wieder für ungültig erklärt werden würde. Vgl. Rosinski, Das Recht 
des Reichstages zur Ungültigkeitserklärung der Wahlen seiner Mitglieder und die 
Notwendigkeit der Erneuerung der Wählerlisten, Berlin 1897. Allein der Wortlaut 
des Wahlgesetzes $& 8, Abs. 3 und des Wahlreglements 8 34 verbietet nicht die 
Berichtigung der Wählerlisten innerhalb der Jahresfrist, sondern sagt nur, daß es der 
erneuten Aufstellung und Auslegung nicht bedarf, wenn die Neuwahl nicht spä- 
ter als ein Jahr nach den allgemeinen Wahlen stattfindet. Eine sachgemäße Auslegung 
des $ 34 führt vielmehr dahin, daß in dem erwähnten Falle die Berichtigung, Auf- 
stellung und Auslegung der Wählerlisten vor der Neuwahl zu erfolgen haben. 
2) Wahlreglement $ 8, Abs. 1. 
3) Es sind meistens die Kreisbehörden und für die Städte die Magistrate; doch 
ist vielfach die Bestimmung des Wahllokals den Ortsbehörden oder den Wahlvor- 
stehern selbst übertragen. 
4) Wahlreglement $ 8, Abs. 2. 5) Wahlreglement $ 10.
	        
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