& 34. Die Bildung des Reichstages. Das Wahlrecht. 339
c) wenn eine rechtzeitig erfolgte Wahlanfechtung oder Einsprache
vorliegt.
Zur Wahlanfechtung ist jeder zur Reichstagswahl Berechtigte befugt,
ohne daß es einer besonderen Legitimation bedarf').
Für die Wahlanfechtungen und Einsprachen besteht eine präklu-
sivische Frist von zehn Tagen, welche von der Eröffnung des Reichstages
— bei Nachwahlen, die während einer Session stattfinden, von der
Feststellung des Wahlergebnisses an — läuft. Später eingehende Proteste
und Einsprachen bleiben unberücksichtigt?).
3. Wenn keiner der drei angegebenen Fälle vorliegt, die Abteilung
aber sonstige erhebliche Ausstellungen findet, so ist von der Abteilung
direkt an den Reichstag zu berichten’). Ist die Wahl unbestritten, so
bedarf es einer Entscheidung des Plenums nicht. Solche Wahlen
werden nach der Vorprüfung durch die Abteilung vom Präsidenten
nachrichtlich zur Kenntnis des Hauses gebracht, und wenn bis dahin
die für Anfechtungen gegebene Frist von zehn Tagen noch nicht ver-
flossen ist, einstweilen als gültig betrachtet; nach Ablauf dieser Frist
sind sie definitiv gültig‘).
4. Die Wahlprüfungskommission hat nach den allgemeinen, für
die Reichstagskommissionen geltenden Regeln (siehe $ 36) zu verfahren
und an den Reichstag Bericht zu erstatten. Die Entscheidung des-
selben erfolgt im Plenum durch Majoritätsbeschluß, so daß bei Stimmen-
gleichheit die Gültigkeit der Wahl verneint ist®). Die Entscheidung
über die Gültigkeit oder Ungültigkeit kann auch ausgesetzt werden,
wenn Umstände, welche für dieselbe erheblich sind, zuvor der Auf-
klärung bedürfen. In diesem Falle wird die Wahl »beanstandet«.
Die erforderlichen Feststellungen kann der Reichstag nicht selbst vor-
nehmen; derselbe muß hierzu die Vermittelung des Reichskanzlers in
Anspruch nehmen.
5. Bis zur Ungültigkeitserklärung einer Wahl hat der Gewählte
Sitz und Stimme im Reichstage‘).. Ein bestimmter Termin, bis zu
welchem die Vorprüfung der Wahlen oder die Definitiventscheidung
über dieselben erfolgt sein müsse, ist nicht vorgeschrieben.
IX. Erlöschen der Mitgliedschaft.
Die Reichstagsmitgliedschaft hört auf:
1) Die Geschäftsordnung enthält darüber keine Bestimmung; eine Erörterung
der Frage findet sich in den Stenogr. Berichten 1874, I. Sess., S. 721 ff.; vgl. auch
SeydelS. 394, Note 1. Der Reichstag hat in der Sitzung vom 18. März 1892 auf
Antrag der Geschäftsordnungskommission beschlossen, daß zur Erhebung einer Wahl-
anfechtung jeder zur Reichstagswahl Berechtigte legitimiert sei.
2) Geschäftsordnung $ 4. 3) Geschäftsordnung 8 6.
4) Geschäftsordnung $ 7.
5) Geschäftsordnung $ 5l a. E.; Seydel S. 396, Note 4.
6) Nur dürfen Mitglieder, deren Wahl beanstandet wird, natürlich nicht an der
Abstimmung über die Gültigkeit ihrer eigenen Wahl teilnehmen, wohl aber alle ihnen
nötig scheinenden Aufklärungen geben. Geschäftsordnung $ 8.