Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

8 2. Die Gründung des Norddeutschen Bundes. 27 
tretungen eine doppelte rechtliche Bedeutung; zunächst die Anerken- 
nung, daß die Bundesverfassung den durch das Augustbündnis begrün- 
deten Pflichten und Rechten entspreche; »sodann die negative 
Funktion, diejenigen Bestimmungen der Verfassung und der Gesetze 
der Einzelstaaten auf verfassungsmäßigem Wege außer Wirksamkeit zu 
setzen, welche den in Aussicht genommenen unmittelbaren Wirkungen 
und Ermächtigungen des Norddeutschen Bundes und seiner Verfas- 
sung im Wege standen.« 
Auch diese Auffassung ist nicht zutreffend. Der erste Punkt ist 
nicht nur unrichtig, sondern auch unwesentlich. Die überwiegende 
Mehrzahl der Landesvertretungen war nicht gehindert, die Bundesver- 
fassung zu verwerfen, selbst wenn sie anerkannte, dass die Verfassung 
den Bestimmungen des Augustbündnisses entspreche, indem die Land- 
tage sich das Recht der Verwerfung ausdrücklich dadurch vorbehalten 
hatten, daß sie die Wahlen nur für einen »beratenden« Reichstag ge- 
nehmigten. Wofern man in der Genehmigung des Wahlgesetzes mit 
Hänel überhaupt eine Zustimmung der Landesvertretungen zu dem 
Augustbündnis erblicken will, ist diese Zustimmung jedenfalls nur mit 
dem Vorbehalt erteilt worden, daß über Annahme oder Verwerfung 
der Verfassung die Entschließung frei bleibe. Ebenso wenig war aber 
ein Landtag gehindert, die Bundesverfassung zu akzeptieren, trotzdem 
sie sich seiner Ansicht nach von den Bestimmungen des Augustbünd- 
nisses entfernte!). Die Erklärung der Landtage ging auch gar nicht 
dahin, daß die Bundesverfassung der Prüfung unter diesem Gesichts- 
punkte unterworfen worden sei; keines von allen Publikationspatenten 
enthält ein derartiges Urteil. 
Bei weitem „beachtenswerter ist der zweite, von Hänel betonte Ge- 
sichtspunkt. Darnach soll die Publikation der Verfassung in den 
einzelnen Staaten eine lediglich negative Bedeutung haben, nämlich 
die Aufhebung der entgegenstehenden Bestimmungen der Landesgesetze. 
In jedem Staate würde mithin diese Publikation etwas Anderes be- 
deuten, da in jedem Staate ein anderer Inbegriff von Rechtssätzen auf- 
gehoben wurde; nicht die Einführung der Bundesverfassung, son- 
dern die Aufhebung eines Stückes der Landesverfassung wäre der 
Sinn und Inhalt der Publikationsgesetze. Damit hätte man aber nichts 
erreicht, als in das Landesrecht jedes einzelnen Staates ein ungeheures 
Loch geschlagen, es geradezu zerstört; eine positive Schöpfung wäre 
nicht vollführt worden. Es bleibt immer noch der Sprung über eine 
unüberbrückte Kluft übrig. Wie gewann die Bundesverfassung eine 
1) Dies ist in der Tat der Fall, indem die Verfassung die Kompetenz des Bun- 
des viel weiter bestimmt, als dies die Grundzüge vom 10. Juni 1866 taten. Dies hob 
schon bei den Beratungen der Bevollmächtigten der Vertreter Hamburgs in Beziehung 
auf die Flagge der Handelsschiffe hervor. Vgl. die Anlage vom 15. Januar zu dem 
Schlußprotokoll vom 7. Februar 1867. (Stenographische Berichte des verfassungsbe- 
ratenden Reichstages, Anlagen S. 26; Glaser], 3, 8. 22; Staatsarchiv XI, S. 366.)
	        
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