Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

362 8 88. Die Diäten der Reichstagsabgeordneten. 
wirksam und klaglos. Dasselbe gilt von testamentarischen Anord- 
nungen oder von Stiftungen zu dem Zwecke, um Reichstagsmitgliedern 
als solchen Besoldungen oder Entschädigungen zu gewähren. Rechts- 
geschäfte dieser Art laufen einem ausdrücklichen Verbots gesetz zu- 
wider und sind naclı $ 134 des Bürgerlichen Gesetzbuches nichtig. 
Das Verbot beruht auf dem öffentlichen Interesse und ist ein 
zwingender Rechtssatz, der durch privatrechtliche Geschäfte nicht 
verletzt oder umgangen werden kann. Nach dem Bürgerlichen Gesetz- 
buche 8 117 ist derjenige, welcher durch die Annahme einer Leistung 
gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen hat, zur Herausgabe verpflichtet; 
die Rückforderung ist aber ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleich- 
falls ein solcher Verstoß zur Last fällt. Da das letztere zutrifft, wenn 
jemand einem Mitgliede des Reichstags »als solchem« Entschädigungen 
gewährt, so ergibt sich, daß die dem Reichstagsmitgliede gewährten 
Leistungen nicht zurückgefordert werden können. Soweit es sich um 
Leistungen von Privatpersonen handelt, hat das Verbot des Art. 32 
daher keine praktische Bedeutung von Erheblichkeit. 
b) Dagegen dürfen die Einzelstaaten, Kommunen und alle unter 
staatlicher Aufsicht stehenden Öffentlich rechtliche Personen oder Kas- 
sen Reichstagsmitgliedern Entschädigungen nicht gewähren und kön- 
nen dazu auf keine Art ermächtigt werden. Die Reichsaufsicht er- 
streckt sich darauf, daß die Anordnung des Art. 32 nicht verletzt wird. 
II. Die Entschädigung. 
1. Die Mitglieder des Reichstags erhalten aus der Reichskasse einen, 
als Aufwandsentschädigung bezeichneten Betrag von 3000 M. jährlich, 
welcher in den im $1 des Gesetzes näher angegebenen Raten zahlbar 
ist. Mitglieder, welche, während der Reichstag versammelt!) ist, in 
denselben neu eintreten oder aus demselben ausscheiden, erhalten für 
die Zeit bis zur Fälligkeit der nächsten Rate beziehentlich seit dem 
Fälligkeitstage der letzten Rate ein Tagegeld von 20 M. 
2. Bedingung für den Bezug der Jahresrente ist die Anwesenheit 
des Reichstagsmitgliedes in den Plenarsitzungen des Reichstages und 
zwar wird die Erfüllung dieser Bedingung dadurch gesichert, daß für 
jeden Tag, an dem ein Mitglied des Reichstags der Plenarsitzung fern 
geblieben ist, von der nächstfälligen Entschädigungsrate ein Betrag von 
20 M. in Abzug gebracht wird?). Die Anwesenheit wird dadurch nach- 
gewiesen, daß das Mitglied sich während der Sitzung in eine Liste 
1) Der Reichstag gilt im Sinne dieses Gesetzes nicht als versammelt, wenn er 
gemäß Art. 12 der RV., also vom Kaiser, vertagt ist. Ges. $ 7. Ueber die Entschä- 
digung der Mitglieder von Kommissionen, welche während der Vertagung in Tätig- 
keit bleiben, siehe das RG. v. 2. Juni 1910 (RGBl. S. 859). 
2) Nur von der nächstfälligen Rate, nicht von dem Gesamtbetrage der jähr- 
lichen Entschädigung. Wenn z. B. ein Abgeordneter im Dezember an mehr als 15 
Sitzungstagen gefehlt hat, so erhält er zwar die am 1. Januar fällige Rente von 
300 M. nicht, dagegen kann ihm für die überschießenden Sitzungstage ein Abzug von 
der Februarrate nicht gemacht werden.
	        
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