370 S 39. Begriff und System der Reichsbehörden.
der verschiedenen Reichsbehörden ). Mit Recht werden daher alle
Reichsbehörden als kaiserliche Behörden bezeichnet.
Diesem Grundsatz ist es vollkommen entsprechend, daß der Regel
nach alle Reichsbeamten vom Kaiser ernannt nnd entlassen werden.
Durch die Ernennung erteilt der Kaiser den Auftrag, diejenigen Ge-
schäfte zu führen, welche zu dem gesetzlich bestimmten Wirkungskreise
des verliehenen Amtes gehören; und selbst wenn der Kaiser durch
ein Vorschlagsrecht des Bundesrates hinsichtlich der Auswahl der
Personen, welche zu einem Reichsamt berufen werden sollen, beschränkt
ist, so geht doch formell der öffentlich-rechtliche Auftrag in der Regel
von ihm aus.
Insbesondere aber kommt die rechtliche Stellung der Reichsbe-
amten als Gehilfen des Kaisers dadurch zur Geltung, daß die wichtigsten
derselben, und zwar gerade diejenigen, deren Geschäftsführung am
wenigsten durch Gesetze normiert ist, folglich am meisten vom freien
Ermessen bestimmt wird, durch kaiserliche Verfügung einstweilen in
den Ruhestand versetzt werden können ?).
3. Die Stellung der Reichsbehörden zum Kaiser ist aber ungeachtet
des im Vorstehenden entwickelten Satzes nicht dieselbe wie die Stellung
der Landesbehörden zum Landesherrn. Es ist oben hervorgehoben
worden, daß zu einem Amt außer einem Kreise von Geschäften sehr
oft auch ein Kreis staatlicher Machtbefugnisse gehört; daß in der
Frteilung eines solcher Amtes neben dem Auftrage zur Erledigung der
Geschäfte auch eine Uebertragung von Hoheitsrechten enthalten ist;
daß in jedem obrigkeitlichen Amt die Staatsgewalt sich betätigt. In
der Monarchie ist der Monarch der alleinige Träger der Staatsgewalt;
von ihm geht daher nicht nur der Auftrag zur Geschäftsführung,
sondern auch die Delegation der Staatsgewalt aus. Nach der Reichs-
verfassung steht die Reichsgewalt nicht dem Kaiser zu, sondern der
Gesamtheit der deutschen Staaten (resp. deren Landesherren). Die
Delegation der Amtsgewalt der Reichsbehörden ist daher nicht einfach
auf den Kaiser zurückzuführen wie die Erteilung des Amtsauftrages,
sondern auf das ideelle Subjekt der Reichsgewalt’).. Die Amtsgewalt
der Reichsbehörden ist nicht kaiserliche Gewalt, sondern Reichsgewalt.
Während in den monarchischen Staaten landesherrliche Gewalt und
Staatsgewalt dasselbe ist, ist der Kaiser Mitglied und Organ des Reiches,
aber nicht Souverän desselben.
IV. Das im Art. 18 der Reichsverfassung dem Kaiser zuerteilte
1) Vgl. über die Stellung der Staatsdiener zum Monarchen im monarchischen
Einheitsstaat Gönner, Vom Staatsdienst S.30 ff.; v. Gerber, Grundzüge S. 227 fg.
(Beilage I.) Die dagegen von Schulze in Aegidis Zeitschrift für deutsches Staats-
recht I, S. 445 erhobenen Einwendungen scheinen mir nicht stichhaltig zu sein.
2) Reichsbeamtengesetz $ 25.
3) Aeußerlich drückt sich dies dadurch aus, daß der Kaiser die Reichsbeamten
„im Namen des Deutschen Reichs“ ernennt.