$ 438. Die richterlichen Reichsbehörden. 417
Reinschriften und dekretiert in allen das Kollegium als solches betref-
fenden Angelegenheiten !).
Alle Beschlüsse und Entscheidungen werden nach Stimmenmehr-
heit gefaßt?); im Falle einer Meinungsverschiedenheit über die Stellung
der Fragen oder über das Ergebnis der Abstimmung entscheidet das
Kollegium. Die Ausfertigungen der Entscheidungen sind mit der Ueber-
schrift zu versehen: »Im Namen des Reiches« °).
b) Die Disziplinarkammern für die richterlichen
Militärjustizbeamten werden für den Bereich eines oder meh-
rerer Armeekorps am Orte eines der beteiligten Generalkommandos
und für die Marine am Sitze des Oberkommandos derselben gebildet.
Sie bestehen aus je fünf Mitgliedern und zwar aus den in ihrem Be-
reich angestellten Oberkriegsgerichtsräten. Sind in dem Bereich der
Disziplinarkammer mehr als fünf Oberkriegsgerichtsräte vorhanden, so
bilden die fünf dienstältesten die Kammer und die übrigen treten bei
Verhinderung von Mitgliedern der Kammer in gleicher Reihenfolge als
Stellvertreter ein. Reichen die vorhandenen OÖberkriegsgerichtsräte zur
Bildung der Disziplinarkammer nicht aus, so werden von der obersten
Behörde der Militärjustizverwaltung Kriegsgerichtsräte für die Dauer
ihres Hauptamtes zu Mitgliedern der Disziplinarkammer und zu Stell-
vertretern ernannt. Den Vorsitz führt der dienstälteste Oberkriegsge-
richtsrat, in Ermangelung eines Oberkriegsgerichtsrats der älteste Kriegs-
gerichtsrat*).. Die Geschäftsordnung der Disziplinarkammern ist von
der obersten Behörde der Militärjustizverwaltung zu erlassen’). Die
Disziplinarkammern mit Ausnahme derjenigen für die Marine sind
Behörden der Kontingentsherren.
c) Die Militärdisziplinarkommissionen‘) In betreff
der Militärbeamten, welche ausschließlich unter Militärbefehlshabern
stehen, tritt an die Stelle der Disziplinarkammer die Disziplinarkom-
mission (Reichsbeamtenges., $ 121). |
Die Zuständigkeit derselben ergibt sich aus folgenden Sätzen:
Die Zuständigkeit ist ausgeschlossen hinsichtlich aller Per-
sonen des Soldatenstandes (Gesetz $ 157), über welche die militä-
rischen Vorgesetzten die Disziplinarstrafgewalt ausüben gemäß der Dis-
1) Geschäftsordn. $ 9, 13, 18.
2) Die Stimme des Präsidenten gibt bei Stimmengleichheit den Ausschlag; bei
mündlichen Verhandlungen und Entscheidungen kann dieser Fall nicht vorkommen
(Gesetz $ 89), wohl aber bei anderen Beschlüssen. (Geschäftsordn. & 2, 7, 9, Abs. 4.)
3) Geschäftsordn. $ 15.
4) Reichsgesetz vom 1. Dezember 1898, betreffend die Dienstvergehen der rich-
terlichen Militärjustizbeamten $ 8.
5) Ebenda $ 12, Abs. 2. Ueber die Verrichtungen der Staatsanwaltschaft und
den Dienst des Gerichtsschreibers bei den Disziplinarkammern siehe daselbst $ 13,
Abs. 1 u.2. Die Geschäftsordnung ist vom 30. Januar 1902 (Zentralbl. S. 63).
6) Vgl. die Motive zu dem Gesetzentwurf vom 8. April 1872. Drucksachen des
Reichstages 1872, Bd. 1, Nr. 9, S. 47 ff.