8 48. Die richterlichen Reichsbehörden. 423
licher Sitzung nach erfolgter Ladung und Anhörung der Parteien ').
Die Vorschriften über den Geschäftsgang, die Leitung des Verfahrens,
die Fragestellung und Abstimmung, Protokollführung, die Geschäfts-
kontrollen u. s. w., welche das erwähnte Regulativ aufstellt, entsprechen
den für kollegialische Gerichtsbehörden üblichen Anordnungen.
Die endgültigen Entscheidungen werden »im Namen des Deutschen
Reichs« erlassen?). Die wichtigeren derselben werden im Zentralblatt
für das Deutsche Reich veröffentlicht °).
2) Das verstärkte Reichseisenbahnamt. Das Gesetz
vom 27. .Juni 1873, $ 5, Ziff. 4 (Reichsgesetzbl. S. 165) hat folgende
Bestimmung:
»Wird gegen eine von dem Reichseisenbahnamte verfügte Maß-
regel Gegenvorstellung erhoben auf Grund der Behauptung, daß jene
Maßregel in den Gesetzen und rechtsgültigen Vorschriften nicht be-
gründet sei, so hat das durch Zuziehung von richterlichen Beamten
zu verstärkende Reichseisenbahnamt über die Gegenvorstellung immer
selbständig und unter eigener Verantwortlichkeit in
kollegialer Beratung und Beschlußfassung zu befinden.«
Die Gegenvorstellung kann erhoben werden entweder von der
kaiserlichen Verwaltung der Reichseisenbahnen oder von der Verwal-
tung einer Staatseisenbahn (resp. derjenigen Bundesregierung, von wel-
cher dieselbe ressortiert), oder von der Verwaltung einer Privateisen-
bahn. Sie ist gerichtet gegen eine vom Reichseisenbahnamt verfügte
Anordnung; die Entscheidung betrifft aber niemals die Frage der Zweck-
mäßigkeit oder irgend eine Frage technischer Natur, sondern lediglich
die Rechtsfrage, ob die vom Reichseisenbahnamt erlassene Ver-
fügung in den Gesetzen und rechtsgültigen Vorschriften begründet sei.
Die Entscheidung hat demnach immer den Charakter eines verwal-
tungsgerichtlichen Urteils und das verstärkte Reichseisenbahnamt hat
bei Fällung dieses Urteils die Stellung eines Gerichtshofes. Ueber den
kollegialischen Geschäftsgang und die dem Präsidenten zustehenden
Befugnisse hat der Bundesrat auf Grund des Gesetzes vom 27. Juni
1873 ein Regulativ erlassen®), welches die sehr lückenhaften Anord-
nungen des Gesetzes ergänzt.
Das verstärkte Reichseisenbahnamt besteht aus dem Präsidenten
des Reichseisenbahnamts oder dessen Stellvertreter als Vorsitzenden,
zwei Räten des Reichseisenbahnamts und drei richterlichen Beamten.
Für letztere werden für den Fall der Behinderung drei Stellvertreter
ernannt’). Die Einleitung des Verfahrens steht dem Reichskanzler zu.
1) Gesetz 8 50, Abs. 1. 2) Regulativ $ 9.
3) Eine Sammlung der Entscheidungen des Bundesamtes, heraus-
gegeben von Wohlers, erscheint seit 1873 in Berlin.
4) Das ursprüngliche Regulativ vom 5. Januar 1874 (Zentralbl. S 27 ff.) ist er-
setzt worden durch das Regulativ vom 13. März 1876 (Zentralbl. S. 197).
5) Neues Regulativ $ 2.