432 8 44. Der Begriff der Reichsbeamten.
Hiermit ist der Begriff eines Staatsbeamten aber noch nicht ge-
nügend bestimmt, weil nicht jedes Dienstverhältnis zum Staate die
Beamteneigenschaft begründet, sondern ein besonders geartetes Dienst-
verhältnis erforderlich ist. Die Pflicht zur Leistung von Diensten kann
nämlich auf einem dreifachen Rechtsgrunde beruhen. Sie kann
nach Analogie der Dienstmiete des Privatrechts durch einen Vertrag
begründet werden, bei welchem die Kontrahenten gleichberechtigt und
unabhängig einander gegenüber stehen. In diesem Falle besteht keine
Unterordnung desjenigen, der die Dienste leistet, gegen denjenigen,
dem sie geleistet werden; es wird kein weitergehendes Recht unter den
Kontrahenten begründet als der Anspruch auf Erfüllung der ver-
sprochenen Dienstleistung und der Gegenanspruch auf den dafür zu-
gesicherten Lohn. Auch der Staat kann Dienstverträge dieser Art ab-
schließen, z. B. mit Bauunternehmern, welche die Herstellung von
Festungswerken, Eisenbahnen, Wegen u. s. w. übernehmen, mit Litho-
graphen, welche den Druck von Staatspapiergeld besorgen u. s. w. Der
Inhalt eines solchen Vertrages braucht nicht mit Notwendigkeit privat-
rechtlich zu sein; auch die Besorgung von obrigkeitlichen Geschäften
kann gegen Entgelt in der Art der privatrechtlichen Dienstmiete über-
tragen werden, z. B. die Erhebung von Abgaben oder Gebühren für
die Staatskasse u. dgl., obwohl gegenwärtig aus Gründen der Politik
nur höchst selten die Führung von obrigkeitlichen Geschäften im Wege
des Kontrakts übertragen werden wird.
Wer ein Dienstverhältnis der angegebenen Art!) mit dem Staate
eingeht, so daß er dem letzteren als gleichberechtigter Kontrahent
gegenübersteht, wird kein Staatsbeamter’?).
1) Die Art der Dienste ist nicht entscheidend; dieselben Dienste, welche
fest angestellte Beamte leisten, kann der Staat in anderen Fällen durch einen Arbeits-
vertrag sich verschaffen; der angestellte Baumeister und der nicht angestellte Bau-
unternehmer, der Syndikus einer Behörde, der Mitglied derselben ist, und der Rechts-
anwalt, der von ihr zur Durchführung eines fiskalischen Rechtsanspruchs angenommen
ist, der Kanzleibeamte und der zur Aushilfe hinzugezogene Schreiber u. s. w. unter-
scheiden sich nicht voneinander durch die Art ihrer Dienste, sondern durch die Art
des rechtlichen Verhältnisses zum Staate, welches sie zur Leistung der Dienste ver-
pflichtet.
2) Anderer Ansicht Löning, Verwaltungsrecht S. 114 a. E., 115. Seine Ansicht
beruht auf einer Vermengung von zwei verschiedenen Dingen. Jeder, der amtliche
Funktionen wahrzunehmen hat, gleichviel aus welchem Rechtsgrunde, hat Amts-
pflichten und Amtsrechte, kann also Verbrechen und Vergehen im Amte verüben
oder zur Ausübung von obrigkeitlichen Befugnissen ermächtigt sein (z. B. auch das
von Privatpersonen angestellte, mit polizeilichen Funktionen betraute Forstschutz-
personal); denn diese Rechte und Pflichten haben keinen Zusammenhang mit der
Dienstpflicht, sondern mit der Amtsführung. Davon wohl zu unterscheiden sind die
aus dem Dienstverhältnis hervorgehenden Rechte und Pflichten, welche — wie
unten näher erörtert werden wird — die wirkliche Dienstleistung (Amtsführung)
nicht notwendig voraussetzen. Auch dem Sprachgebrauch entspricht es nicht, Per-
sonen, welche mit dem Staat ein lediglich privatrechtliches Kontraktsverhältnis ein-
gegangen sind, als Staatsbeamte zu bezeichnen. Vgl. auch dieEntscheidungen