438 8& 44. Der Begriff der Reichsbeamten.
griff aufzustellen, so ist es ein Gebot der Logik, die wesentlichen
Momente scharf auszuscheiden von Allem, was für den Begriff kein
essentiale ist. Für den Begriff des Beamten ist es nun keineswegs
wesentlich, daß der dem Beamten übertragene Geschäftskreis einen so
großen Umfang hat, daß er die Leistungskraft des Beamten absorbiert,
seine Tätigkeit ausfüllt, den ausschließlichen oder wesentlichen Beruf
desselben bilde. Ein Staatsamt kann sehr wohl eine Neben be-
schäftigung des Beamten bilden'). Für das Reichsrecht ist auch hier
jeder Zweifel ausgeschlossen durch das Reichsbeamtengesetz $ 38,
welches ausdrücklich Reichsbeamte erwähnt, »deren Zeit und Kräfte
durch die ihnen übertragenen Geschäfte nur nebenbei in Anspruch
genommen werden«.
Wenngleich das Reichsbeamtengesetz den Begriff des Beamten nicht
definiert, so ergibt sich doch aus den im Vorstehenden angeführten
Bestimmungen desselben, daß zu den wesentlichen Momenten dieses
Begriffes nicht gehören: eine Besoldung, die dauernde Uebertragung
eines Amtes, Handhabung obrigkeitlicher Hoheitsrechte, Selbständigkeit
der Verfügung oder Entscheidung, Ausfüllung des Lebensberufes durch
die Bekleidung des Amtes — also gerade diejenigen Momente, welche
regelmäßig als die erheblichen und wesentlichen angeführt werden.
Das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis bleibt
vielmehralsdasallein wesentliche Begriffsmoment
übrig.
Dasselbe bedarf indes noch einer näheren juristischen Bestimmung.
Es ist bereits hervorgehoben worden, daß dasselbe weder auf einer
obligatorischen Verpflichtung noch auf einer Untertänigkeit beruht.
Hiermit ist der Gegensatz gegen die bisher in der Literatur herrschen-
den Theorien gegeben. In der älteren Zeit dachte man ausschließlich
an ein Dienstverhältnis nach Art des Privatrechts?). Man begann, im
Einklang mit den politischen Zuständen, wie sie bis zum Ende des
18. Jahrhunderts herrschend waren, mit der Auffassung des Rechts-
verhältnisses als Prekarium?). Die Einsicht aber, daß der Beamte
1) In einigen neueren Darstellungen wird hervorgehoben, daß nur bei den Be-
rufsbeamten das „volle“ Beamtenverhältnis vorhanden, nur auf sie „alle Konsequen-
zen des Staatsdienerrechts volle Anwendung finden“. G. Meyer in Hirths Annalen
1876, S. 670 und Staatsrecht 8 143, Note 10; Schulze, Deutsches Staatsrecht I,
S. 318; Gierke in v. Holtzendorffs Rechtslexikon I, S. 50 (Art. „Gemeindebeamte“).
Es wird hierdurch eingeräumt, daß es auch Beamte gebe, welche aus dem öffentlichen
Dienst ihren Lebensberuf nicht machen, zugleich aber der Feststellung des wesent-
lichen Merkmals des Beamtenbegriffs ausgewichen. Vgl. auch Rehm, Annalen
1885, S. 180 fg. und Seydela. a. O. S. 18.
2) Ueber die verschiedenen Ansichten vgl. Gönner S. 13ff.; Heffter a.a.0.
S.128ff.; Zachariä, Staatsrecht II, $ 135 (daselbst S. 15 ff. ist die sehr reiche Lite-
ratur angegeben) und jetzt besonders die ausführliche und gründliche Darstellung von
Rehm, Annalen 1884, S. 582 fg.
3) Als Vertreter dieser Ansicht werden vorzugsweise zitiert Lud. Hugo, De
statu regim. Germ. c. III, 834; Myler ab Ehrenbach Hyparcholog. cap. II,