8 44. Der Begriff der Reichsbeamten. 445
den Landesherren ernannt, soweit nicht besondere Konventionen eine
Ausnahme begründen. Sie sind mithin Landesbeamte!).
Ebenso ist die Militärverwaltung und die Ernennung der Militärbeam-
ten den Einzelstaaten überlassen, soweit nicht besondere Konventionen
ein anderes bestimmen. (Art. 66.) Trotzdem sind diese Beamte dem
Reichsbeamtengesetz unterworfen, wofern sie »nach Vorschrift der
Reichsverfassung den Anordnungen des Kaisers Folge zu leisten ver-
pflichtet sind«e. Durch die Klausel werden ausgenommen die Post-
und Telegraphenbeamten in Bayern und Württemberg und die Mili-
tärbeamten in Bayern, wegen der diesen Staaten verfassungsmäßig
eingeräumten Sonderrechte hinsichtlich der Post- und Telegraphenver-
waltung und resp. Heeresverwaltung.
Der Art. 50 der Reichsverfassung enthält ausdrücklich die Bestim-
mung, daß sämtliche Beamte der Post- und Telegraphenverwaltung
verpflichtet sind, den kaiserlichen Anordnungen Folge zu leisten. Da-
gegen findet sich eine ähnliche Bestimmung hinsichtlich der Militär-
beamten in der Reichsverfassung nicht. Der Art. 63 überträgt dem
Kaiser in Krieg und Frieden den »Befehl« über die gesamte Landmacht
des Reiches, und Art. 64 verpflichtet alle »Deutschen Truppen«, den
Befehlen des Kaisers unbedingte Folge zu leisten. Der militärische
Oberbefehl ist aber nicht identisch mit der Leitung der Verwaltung
des Heerwesens. Dessenungeachtet ist es zweifellos, daß die Gesetze
vom 2. Juni 1869 und 31. März 1873 auf die Militärbeamten (ausge-
nommen die bayerischen) Anwendung finden’).
Unter die Anordnungen des Reichsbeamtengesetzes gehören da-
gegen nicht diejenigen Beamten der Einzelstaaten, welche zwar die
1) Es ist dies vom Präsidenten des Reichskanzleramts ausdrücklich anerkannt
worden bei der Beratung des Beamtengesetzes im Reichstage von 1868 (Stenogr. Ber.
S. 556). Ferner in einem Erlaß des preuß. Ministers des Innern vom 9. Juli 1869
(Ministerialbl. für die preußische innere Verwaltung 1869, S. 161). In demselben Sinne
hat das preußische Kammergericht entschieden durch Urteil vom 1. November 1869
(in demselben Ministerialbl. 1870, S. 52). Nach Erlaß des Reichsbeamtengesetzes
ist derselbe Satz mit seinen Konsequenzen festgehalten worden von dem Kaiser-
lichen Disziplinarhofe in der Entscheidung vom 2. April 1874 (Zentralbl. für
das Deutsche Reich 1874, S. 145fg.). Der II. Senat des Reichsoberhandelsgerichts hat
zwar in dem Urteil vom 5. März 1874 (Entscheidungen Bd. 13, S. 29 ff.) ausgeführt,
daß mit dem Tage der Gesetzeskraft des Gesetzes vom 31. März 1873 die nicht vom
Kaiser ernannten Postbeamten Reichsbeamte wurden; aber es ist hier die Einschrän-
kung hinzuzufügen: „im Sinne dieses Gesetzes“. So das Reichsgericht, Emt-
scheidungen in Zivilsachen Bd. 1, S.309. Endlich hat das Reichsgericht durch
Urteil vom 26. Oktober 1880 (Entscheidung in Zivilsachen Bd. 2, S. 102ff.) sich den
hier im Text entwickelten Sätzen angeschlossen. — Anderer Ansicht Perels und
SpillingS.6fg.; richtig dagegen Sydow in v. Stengels Wörterbuch II, S. 294
(Art. „Post- u. Telegraphenbeamte“) und Pieper S. 3fg.
2) Vgl. die Motive von 1872, S.30. Das Reichsgesetz vom 31. März 1873, $ 120 ft.
erwähnt sie ausdrücklich; ebenso das Verzeichnis der Reichsbeamten vom 30. Juni
1873 (Reichsgesetzbl. S. 169); vgl. ferner die Verordnung vom 5. Juli 1871 (Reichs-
gesetzbl. S. 308) u. s. w.