8 45. Die Anstellung der Reichsbeamten. 449
Man stützt dies teils darauf, daß der Begriff des Vertrages auf die Be-
gründung von Rechtsverhältnissen zwischen dem Staat und Einzelnen
überhaupt unanwendbar sei, weil sie sich nicht als gleichberechtigte
Subjekte gegenüber stehen, teils darauf, daß die Uebertragung von
Hoheitsrechten auf Individuen durch Vertrag prinzipiell unmöglich sei.
Das erste dieser beiden Argumente beruht auf einer einseitig privat-
rechtlichen und willkürlichen Beschränkung des Vertragsbegriffs. Der
Staat legt Niemandem die Verpflichtung auf, sich dem Staats-
dienst zu widmen; soll eine solche Verpflichtung von Jemandem über-
nommen werden, so ist eine Willenserklärung desselben erforderlich;
es genügt also nicht eine einseitige Willensäußeruug des Staates, son-
dern es ist eine übereinstimmende Willenserklärung beider Beteiligten,
ein auf die Uebernahme und Gewährung gegenseitiger Verpflichtungen
gerichteter Konsens, also ein zweiseitiges Rechtsgeschäft
erforderlich, und dies ist eben ein Vertrag. Dieser Begriff ist
kein privatrechtlicher, sondern ein allgemeiner Rechtsbegriff.
Das andere Argument beruht auf der oft gerügten Verwechslung von
Anstellung (Eintritt in den Staatsdienst, Begründung der Dienstpflicht)
mit der Uebertragung eines Amtes (Verwendung im Staatsdienst); die
letztere, welche dem Staatsdienstvertrag vorausgehen oder nachfolgen
oder auch gleichzeitig mit ihm stattfinden kann, erfolgt in der Tat
regelmäßig durch einseitige Verfügung der Regierung; siebegründet
aber nicht die Dienstpflicht, sondern setzt dieselbe voraus.
Aber selbst bei der Uebertragung einer Dienststelle handelt es sich
durchaus nicht immer, ja nicht einmal in der Mehrzahl der Fälle, um
die Delegation von »Hoheitsrechten «!).
recht I, $ 129, S. 321; G. Meyer $ 143, Note 18; namentlich in ausführlicher Be-
gründung O. Mayer im Arch. f. öffentl. Recht Bd. III, S.41fg. und Verwaltungsrecht
Bd. 2, S. 221; ferner Bornhak, Preuß. Staatsrecht II, S. 27 ff. u. Grundriß des D.
Staatsrechts, 2. Aufl., S. 120; Harseim a.a.0O.], S. 138; Leonia. a. 0.8 47;
Radnitzky, Parteiwillkür im öffentl. Recht S. 72ff.; Tezner in Grünhuts Zeit-
schr. Bd. 21, S. 66 ff.; v. Rheinbaben, Preuß. Disziplinargesetze (1904), S. 29;
Preuß, Das städtische Amtsrecht in Preußen (Berlin 1902), S. 77 ff., 379 ff. u. a.
Die Argumentation dieser Schriftsteller geht dahin, dat die Berufung zum Staatsamt
ein einseitiger staatlicher Hoheitsakt sei, dessen Zulässigkeit oder Wirksam-
keit von der freiwilligen Unterwerfung des Berufenen bedingt sei. Dies
widerlegt sich durch die Gleichartigkeit der Anstellung im Staatsdienst mit der An-
stellung der Beamten im Dienste der Gemeinden, Korporationen, Anstalten u. s. w.,
die doch zu staatlichen Hoheitsakten nicht fähig sind. Auch genügt die bloße „Un-
terwerfung“ unter den staatlichen Hoheitsakt keineswegs, da der Beamte doch nicht
zu einem pati oder non facere genötigt wird, sondern positive Leistungen, eine aktive
Tätigkeit übernimmt.
1) Die hier vertretene Ansicht von der vertragsmäßigen Natur der Anstellung
hat zahlreiche Anhänger gefunden; so z.B. außer Seydel, Allgem. Staatslehre S. 59 ff.
und Bayer. Staatsrecht II, S. 184; v. Stengel, Annalen 1876, S. 897 ff.; G a-
reis S. 164fg.; Gaupp, Württ. Staatsrecht 2. Aufl., S. 141; v. Sarwey, Württ.
Staatsrecht II, S. 276; Göz, Württ. Staatsr. S. 176; Löning, Verwaltungsrecht $ 25;
Endemann, Recht der Eisenbahnen 1886, .S. 107 und 110ff.; Jellinek, System