450 8 45. Die Anstellung der Reichsbeamten.
Eine Analogie zu diesem staatsrechtlichen Vertrage liefert die
oben $ 18 dargestellte Verleihung der Staatsangehörigkeit. Beide be-
gründen ein Unterordnungs- und Gewaltsverhältnis, nur daß das
letztere bei dem Anstellungsvertrag einen viel intensiveren Inhalt hat.
Das Anstellungsdekret entspricht der Aufnahme- oder Naturalisations-
urkunde und hat für die Perfektion des Geschäftes dieselbe Bedeutung
wie diese.
II. Ueber die Anstellung der unmittelbaren Reichsbeamten gelten
folgende Rechtsregeln.
1. Befugt, im Namen des Reiches Beamte anzustellen, ist der Kaiser
als der Führer der Regierungsgeschäfte des Reiches. Reichsverfassung
Art. 18. Er ist hierbei an die Beobachtung der Reichsgesetze gebun-
den; er kann daher den Anstellungsvertrag nicht unter willkürlichen
Bedingungen abschließen; er kann den Reichsbeamten keine größeren
Rechte zugestehen und andererseits ihnen keine ungünstigere Stellung
anweisen, als mit den Reichsgesetzen vereinbar ist. Der Anstellungs-
vertrag selbst kann nur vom Kaiser oder in dessen Auftrag abge-
schlossen werden; dies schließt aber nicht aus, daß nicht der Bundes-
rat ein Vorschlagsrecht habe oder wegen der Anstellung gewisser
Beamten vorher gehört werden müsse !).
So wie der Kaiser hinsichtlich aller Regierungsgeschäfte die Be-
fugnis hat, dieselben den gesetzlich errichteten Behörden zu delegieren,
so kann auch die Anstellung von Reichsbeamten durch Delegation
Reichsbehörden übertragen sein ?. Der Reichskanzler als der Kaiser-
liche Minister ist auch für diese Geschäfte zuständig, soweit nicht ent-
weder der Kaiser dieselben zu eigener Entscheidung sich vorbehalten
hat oder durch spezielle Vorschrift eine andere Reichsbehörde mit
ihnen beauftragt ist.
Durch die Verordnung vom 23. November 1874, 8 2 (Reichsge-
setzbl. S. 135) ist bestimmt, daß eine kaiserliche Bestallung er-
halten:
a) die Mitglieder der höheren Reichsbehörden ), sowie diejenigen
Reichsbeamten, welche nach ihrer dienstlichen Stellung denselben
vorgehen oder gleichstehen ;
der subj. öff. Rechte (2. Aufl.), S. 179, 209fg.; Bindinga. a. O.S. 386; Pieper,
S. I11lfg., 18fg. und andere; unter gründlicher Widerlegung der dagegen erhobenen
Einwände ist diese Theorie entwickelt worden in der vielfach zitierten Monographie
von Rehm in Hirths Annalen 1885. Vgl. ferner meine Erörterungen im Arch. f.
öff. R. Bd. 18, S. 75ff. Auch das Reichsgericht hat wiederholt anerkannt, daß
das Beamtenverhältnis eindurch Vertrag begründetes Dienstverhältnis ist. Entsch.
in Zivilsachen Bd. 51, S. 305; Bd. 53, S. 497.
1) Siehe oben S. 263 und G. MeyerS$ 145,1.
2) Ein Verbot oder eine Beschränkung dieser Delegationsbefugnis ist im Art. 18
der Reichsverfassung nicht enthalten.
3) Das Verzeichnis derselben steht im Reichsgesetzblatt 1899, S. 730; eine Er-
gänzung im Reichsgesetzblatt 1901, S. 173.