Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

456 8 47. Die Pflichten und Beschränkungen der Reichsbeamten. 
8 47. Die Pflichten und Beschränkungen der Reichsbeamten. 
Aus dem Anstellungsvertrage ergeben sich für den Beamten drei 
Pflichten, die Pflicht zur Verwaltung des übertragenen Amtes, die 
Pflicht zur Treue und zum gesetzmäßigen Gehorsam gegen die vorge- 
setzte Behörde, und die Pflicht eines achtungswürdigen Verhaltens. 
Außerdem sind mit der Beamtenstellung einige Beschränkungen der 
Handlungsfreiheit verbunden. 
I. Die Pflicht zur Amtsführung. 
»Jeder Reichsbeamte hat die Verpflichtung, das ihm übertragene 
Amt der Verfassung und den Gesetzen entsprechend gewissenhaft 
wahrzunehmen«. Reichsgesetz $ 10. 
Die Pflicht zur Amtsführung ist eine Pflicht zur Arbeitsleistung. 
Dieselbe ist nicht fixiert, sondern bestimmt sich quantitativ nach dem 
wechselnden Geschäftsumfange des Amtes, qualitativ durch die dem 
Beamten obliegende Treuverpflichtung, welche von ihm die Aufwen- 
dung des größten Fleißes, der größten Sorgfalt, die Anspannung aller 
Kräfte erfordert. 
Die Pflicht kann, abgesehen von unvollkommener Erfüllung durch 
langsame oder schlechte Erledigung der Amtsgeschäfte, teils durch die 
Weigerung, einzelne, zum amtlichen Geschäftskreise gehörige Geschäfte 
zu erledigen, teils durch generelle Nichterledigung der Geschäfte (Ver- 
lassen des Amtes) verletzt werden. 
1. Von der Vornahme einzelner amtlicher Geschäfte kann der Be- 
amte auf seinen Antrag von der vorgesetzten Dienstbehörde dispen- 
siert werden. Die den Vorstehern der einzelnen Behörden zuge- 
wiesene Funktion der Geschäftsverteilung schließt die Befugnis in sich, 
Beamten einzelne Geschäfte, die ihnen speziell zugewiesen sind oder 
nach den allgemeinen, für die Geschäftsverteilung erlassenen Anord- 
nungen zufallen, abzunehmen !). 
Ein Recht auf Dispensation ist für die Beamten in dem Falle 
anzunehmen, wenn das von ihnen zu erledigende Geschäft ihr eigenes 
Privatinteresse oder dasjenige ihrer Angehörigen berührt. Für die 
Richter ist es ein gemeinrechtlich anerkannter, unbezweifelter Grund- 
satz, daß sie von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes in 
allen solchen Sachen ausgeschlossen sind’). Die analoge Anwendung 
des gleichen Grundsatzes auf andere Beamte, denen in Verwaltungs- 
sachen ein Verfügungs- oder Entscheidungsrecht zusteht, erscheint 
ebensowohl durch das Interesse des Staates als durch das des Beam- 
ten, der nicht unnötigerweise in eine Kollision gebracht werden soll, 
geboten. 
1) Val. z. B. die Instruktion für den Rechnungshof vom 5. März 1875, $ 14, Nr. 2 
(Zentralbl. S. 159). 
2) Zivilprozeßordn. $ 41, $ 551, Ziff. 2; Strafprozeßordn. $ 22.
	        
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