488 8 48. Die Rechtsfolgen der Pflichtverletzung.
tragsverletzungen und gesetzlich zu normierende Tatbestände der
letzteren gibt. Jede schuldbare Nichterfüllung der Dienstpflicht ist ein
Disziplinarvergehen, oder besser gesagt, ist geeignet, eine Reaktion des
Dienstherrn vermiittelst seiner Disziplinargewalt hervorzurufen !. Nur
zufällig kann eine und dieselbe Tat gleichzeitig unter das Strafgesetz
fallen und eine Verletzung der Dienstpflicht enthalten. Endlich ist
Ausübung des Disziplinarzwanges ein Recht, keine juristische Pflicht
des Staates, wie die Geltendmachung einer Forderung ein Recht, aber
keine Pflicht des Gläubigers ist ?).
Von diesen Gesichtspunkten aus lassen sich die Vorschriften des
Reichsbeamtengesetzes über die Disziplinarvergehen in einen inneren
wissenschaftlichen Zusammenhang bringen.
1. Der Begriff wird in $ 72 des Gesetzes dahin formuliert: »Ein
Reichsbeamter, welcher die ihm obliegenden Pflichten ($ 10) verletzt,
begeht ein Dienstvergehen und hat die Disziplinarbestrafung verwirkt.<
Diese Definition ist zwar nicht schön formuliert, aber richtig. Dienst-
vergehen ist Verletzung der Dienstpflich. Aus dem Umfang der
Dienstpflicht läßt sich daher entnehmen, welche Handlungen oder
Unterlassungen den Tatbestand eines Dienstvergehens bilden können;
entsprechend den drei Pflichten, welche aus dem Anstellungsvertrage
hervorgehen, kann man die Dienstvergehen klassifizieren.
aA)Verletzungen derPflichtzurAmtsführung. Hier-
hin gehört die schuldbare Weigerung, Geschäfte zu erledigen; Unfleiß,
Sorglosigkeit, Saumseligkeit u. dgl. in der Führung der Amtsgeschäfte;
insbesondere Verlassen des Amtes ohne Urlaub oder Ueberschreiten
des Urlaubs ohne entschuldigende Gründe.
b) Verletzungen der Pflicht zur Treue und zum
Gehorsam. Hierunter fallen Widerspenstigkeit und Ungehorsam
gegen amtliche Befehle, welche innerhalb der Zuständigkeit der vor-
gesetzten Behörde erteilt sind; Verletzung der Amtsverschwiegenheit;
Veruntreuung von Geldern und Materialien. Ebenso kann hierher
ein Verhalten des Beamten in seinem Amte fallen, welches darauf ab-
zielt, den von der Reichsregierung angestellten Erfolg gewisser MaB-
regeln zu vereiteln und die Pläne und Absichten der Regierung durch
bewußtes Entgegenwirken oder durch Lässigkeit in der Ausführung
der Anordnungen zu durchkreuzen. Zweifellos kann aber die Aus-
übung des Wahlrechtes oder die Tätigkeit als Landtags- oder Reichs-
tagsmitglied, bei welcher sich der Beamte ausschließlich nach seiner
1) Ist diese Reaktion aber erfolgt, so ist das Dienstvergehen gesühnt; der Grund-
satz ne bis in idem muß auch im Disziplinarrecht gelten. Vgl. Emil Wolff im
Verwaltungsarchiv Bd. 12, S. 575.
2) Hefftera. a. O.S. 177 nennt die Disziplinargewalt „ein Privatrecht
des Staates, dem sich der Diener bei Eingehung des Dienstverhältnisses still-
schweigend unterwirft, kein allgemeines Recht der ganzen Staatsgemeinde, wie das
Strafrecht“. Vgl. auch Seydela.a. O0. S. 272; Otto Mayer S. 244.