Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

492 8 48. Die Rechtsfolgen der Pflichtverletzung. 
nämlichen Tatsachen eine gerichtliche Untersuchung gegen den Ange- 
schuldigten eröffnet wird, bis zur Beendigung des gerichtlichen Ver- 
fahrens ausgesetzt werden muß!). 
Führt das Strafverfahren zu einer Verurteilung des Angeschuldig- 
ten, so bleibt in denjenigen Fällen für ein nachfolgendes Disziplinar- 
verfahren kein Raum, in welchen die Verurteilung den Verlust des 
Amtes nach sich zieht (Strafgesetzbuch 8 33, 35) oder direkt den Ver- 
lust des Amtes ausspricht. Hat die Verurteilung dagegen den Verlust 
des Amtes nicht zur Folge gehabt, so bleibt es dem freien Ermessen 
der zuständigen Behörde überlassen, ob außerdem noch das Diszipli- 
narverfahren einzuleiten oder fortzusetzen sei (8 78, Abs. 2). Es besteht 
durchaus kein Hindernis, daß der Beamte nicht neben der kriminellen 
Bestrafung noch disziplinarisch wegen derselben Handlung oder Unter- 
lassung bestraft wird. 
Führt das Strafverfahren zu einer Freisprechung, so besteht eben- 
falls kein Hindernis, ein Disziplinarverfahren einzuleiten. Nur würde 
es dem oben angeführten Wesen desselben völlig widersprechen, wenn 
es dazu verwendet werden sollte, um eine kriminelle Strafe nachzu- 
holen oder zu ersetzen, welche der Strafrichter zu verhängen abge- 
lehnt hat. Niemals kann daher das Disziplinarverfahren eine noch- 
malige Feststellung und Prüfung der Frage bezwecken, ob die Handlung 
des Beamten dem gesetzlichen Tatbestande eines Verbrechens oder 
Vergehens entspricht und deshalb strafbar sei. Das Disziplinarver- 
fahren kann vielmehr nur darauf gerichtet sein, ob die Handlungs- 
weise des Beamten — gleichviel, wie sie dem Strafrecht gegenüber zu 
beurteilen ist — eine Verletzung seiner Dienstpflicht sei (8 78, Abs. ]). 
Trotz Freisprechung vor dem Strafrichter kann der Beamte wegen 
derselben Handlung mit der schwersten Disziplinarstrafe, der Dienst- 
entlassung, belegt werden ?). 
6. Das Verhältnis der Disziplinarbestrafung zu 
der privatrechtlichen Ersatzpflicht ergibt sich aus den 
oben entwickelten Grundsätzen. Die Disziplinargewalt schließt jede 
Klage des Staates gegen den Beamten auf Leistung der Dienstpflichten 
oder auf Leistung des Interesses wegen Nichterfüllung oder nicht ordent- 
licher Erfüllung der Dienstpflichten aus. Dagegen bleibt von ihr un- 
berührt die Pflicht des Beamten zum Schadensersatz wegen pflicht- 
1) Vgl. Motive S. 43. 
2) Wenn z. B. ein Beamter im Amtslokale oder auf öffentlicher Straße in voll- 
ständiger Trunkenheit ein Vergehen verübt hat, aber wegen mangelnder Zurechnungs- 
fähigkeit freigesprochen worden ist. Als ein anderes Beispiel führt v. Bar a.a. 0. 
S. 855 den Fall an, daß eine Öffentliche Schlägerei unter Beamten nach $ 199 des 
Strafgesetzbuchs wegen Kompensation, bezw. Retorsion, vom Strafrichter straffrei 
gelassen wird. Ueber die Frage, ob und inwieweit die tatsächlichen Feststellungen 
des Strafrichters für die nachfolgende Disziplinarentscheidung präjudizierend seien, 
vgl. Perels u. SpillingS.112ff.;, PieperS.241ff.; Meyer-Anschütz 8149, 
Note 23.
	        
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