Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

516 8 51. Versetzung, Stellung zur Disposition, Suspension. 
weise der Schluß ergeben, daß dem Beamten gleichzeitig mit dem Amite 
auch die Besoldung genommen werden könne. Dieses praktische Re- 
sultat aber widerspricht zu sehr dem wirklich bestehenden Rechte. Man 
hilft sich deshalb in der Theorie mit der Annahme, entweder daß aus 
Billigkeitsrücksichten der Beamte zu entschädigen sei oder daß die 
»privatrechtliche Seite« des Verhältnisses fortdauere, während die staats- 
rechtliche erlösche. 
Eine Aufhebung des Staatsdienstverhältnisses wird einer verbreite- 
ten Theorie zufolge dadurch herbeigeführt, daß das Amt, welches ein 
Staatsdiener bisher bekleidet hat, ganz beseitigt wird '.. Konsequenter- 
weise müßte sie aber bei jeder Versetzung in ein anderes Amt eine 
Aufhebung des bisherigen Verhältnisses und die gleichzeitige Neube- 
gründung eines anderen, also ein Analogon zur Novation, annehmen. 
Hinsichtlich der einstweiligen Versetzung in den Ruhestand endlich ist 
vom Standpunkte dieser Theorie aus jede juristische Erklärung 
unmöglich, da hier offenbar Rechte und Pflichten der Beamten fort- 
dauern, trotzdem die Führung eines Amtes aufhört; man begnügt sich 
daher mit einigen politischen Erwägungen de lege ferenda oder mit 
dem einfachen Hinweise auf die positiven Bestimmungen der Staats- 
dienergesetze ?). 
Es ist vielmehr davon auszugehen, daß die Führung eines Amtes 
nur der Zweck ist, zu welchem Beamte angestellt werden, und daß 
die aus der Anstellung selbst hervorgehenden Rechte und Pflichten 
unabhängig davon, daß der Beamte ein bestimmtes Amt tatsächlich 
führt, fortbestehen können. Sowie aber die Regierung gehindert ist, 
Beamte anzustellen, namentlich besoldete, die sie nicht bedarf oder 
für welche etatsmäßige Stellen nicht bestehen, so ist sie auch be- 
schränkt darin, angestellten Beamten die Führung der Amtsgeschäfte 
abzunehmen. Die Gründe für diese Beschränkungen beruhen nicht 
auf den besonderen Grundsätzen des Beamtenrechts und der juristi- 
schen Natur des Dienstverhältnisses, sondern auf politischen, nament- 
lich finanziellen Erwägungen °) oder allgemeinen Verfassungsprinzipien. 
Die Rücksicht auf das Interesse des Beamten selbst, auf die Wahrung 
seiner Unabhängigkeit, auf die Sicherung seiner Lebensstellung kommt 
dabei wohl wesentlich mit in Betracht; aber das Recht des Staates, 
seinen Beamten die ihnen übertragenen Aemter zu entziehen, ist nicht 
durch das ihm gegenüberstehende subjektive Recht des Beamten be- 
schränkt, sondern durch den eigenen Willen des Staates, durch eine 
1) Leist 8102,Nr.8; Heffter a.a.0.8.136; Maurenbrecher $163,Nr. 2. 
2) Zachariä IL, $S 143-145; v. Moh1l IL, $ 164fg.; v. PözlS$S 205; Schulze, 
Preuß. Staatsr. I, 102. Fast ohne Ausnahme werden in allen Darstellungen des Staats- 
dienerrechts die Versetzung in den Ruhestand und die Suspension als Beendigungs- 
arten des Staatsdienerverhältnisses behandelt, wodurch sie unter einen ganz unrich- 
‘tigen Gesichtspunkt gebracht werden. 
3) Vgl. auch v. Gerber, Grundzüge 8 38.
	        
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