Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

$6. Die Erwerbung von Elsaß-Lothringen, Helgoland u. d. Schutzgebiete. 53 
Die Ratifikationen des Friedensvertrages sind, nachdem die fran- 
zösische Nationalversammlung am 18. Mai denselben genehmigt hatte, 
am 20. Mai 1871 zu Frankfurt a. M. ausgetauscht worden !). 
Eine nachträgliche Abänderung hat der Umfang des an das Deutsche 
Reich abgetretenen Gebietes erfahren durch den Zusatzvertrag von 
Berlin vom 12. Oktober 1871 Art. X ?), in welchem ein paar Gemeinden 
an Frankreich zurückgegeben wurden. 
II. Staatsrechtlich beruht die Zugehörigkeit von Elsaß und 
Lothringen zum Deutschen Reiche auf dem Reichsgesetz vom 
9.Juni 1871°), dessen erster Paragraph bestimmt, daß die von Frank- 
reich abgetretenen Gebiete in der — in den vorstehend aufgeführten 
Verträgen — festgestellten Begrenzung mitdem DeutschenReiche 
fürimmer vereinigt werden. $ 3 desselben Gesetzes über- 
trägt die Ausübung der Staatsgewalt in Elsaß und Lothringen dem 
Kaiser, der jedoch bis zum Eintritt der Wirksamkeit der Reichsverfas- 
sung bei Ausübung der Gesetzgebung an die Zustimmung des Bundes- 
rats und bei der Aufnahme von Anleihen, durch welche irgend eine 
Belastung des Reiches herbeigeführt wird, auch an die Zustimmung 
des Reichstages gebunden wurde. 
Die Verfassung des Deutschen Reiches sollte in Elsaß 
und Lothringen am 1. Januar 1873 in Wirksamkeit treten; durch 
Reichsgesetz vom 20. Juni 1872) ist dieser Termin auf den 1. Januar 
1874 verlegt worden. Das Gesetz vom 9. Juni 1871, $S 2 erteilte aber 
die Ermächtigung, daß durch Verordnung des Kaisers mit Zustimmung 
des Bundesrates einzelne Teile der Verfassung schon früher eingeführt 
werden können ’), und bestimmte, daß Art. 3 der Reichsverfassung 
(Indigenat) sofort in Wirksamkeit trete. 
Das Reichsgesetz vom 25. Juni 1873°) führte die Reichsverfassung 
als Ganzes vom 1. Januar 1874 ab in Elsaß und Lothringen ein. Eine 
neue Redaktion der Verfassung, in welcher auf das Reichsland Rück- 
sicht genommen wäre, hat nicht stattgefunden; es sind lediglich die 
beiden Aenderungen, welche die Gesetze vom 24. Februar 1873 und 
3. März 1873 an dem Wortlaut der Verfassung vorgenommen hatten, bei 
der Publikation berücksichtigt worden’). 
1) Reichsgesetzbl. 1871, S. 240. 
2) Reichsgesetzbl. 1871, S. 867, 368. Vgl. auch die von der Grenzregulierungs- 
kommission vereinbarten Konventionen vom 24/27. und 28/31. August 1872 im Gesetz- 
blatt für Elsaß-Lothringen 1873, S. 283, 287. 
3) Reichsgesetzbl. 1871, S. 212. 
4) Reichsgesetzbl. 1872, S. 208. 
5) Auf Grund dieser Ermächtigung sind in Elsaß und Lothringen eingeführt wor- 
den am 1. Januar 1872 Art. 33 und die Abschnitte VII und VIII der Reichsverf.; am 
14. Februar 1872 die Art. 57—59, 61, 63—65 und das Kriegsdienstgesetz vom 9. No- 
vember 1867. Vgl. Gesetzbl. £. E.-L. 1871, S. 247, 347, 371; 1872, S. 83 fg. 
6) Reichsgesetzbl. 1873, S. 161. Gesetzblatt für Elsaß-Lothringen S. 131. 
?) Die durch Gesetz vom 20. Dezember 1873 erfolgte Abänderung des Art. 4,
	        
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