54 86. Die Erwerbung von Elsaß-Lothringen, Helgoland u. d. Schutzgebiete.
Dagegen hat das Einführungsgesetz selbst die Bestimmung getrof-
fen, daß dem in Art. 1 bezeichneten Bundesgebiete das Gebiet des
Reichslandes Elsaß-Lothringen hinzutritt, daß in Elsaß-Lothringen 15
Abgeordnete zum Reichstage gewählt werden, daß bis auf weiteres die
in Art. 35 erwähnte Besteuerung des inländischen Bieres der inneren
Gesetzgebung vorbehalten bleibt und daß bis auf weiteres die durch
Art. 40 aufrecht erhaltenen Beschränkungen, welchen die Erhebung
von Kommunalabgaben nach Art. 5 des Zollvereinsvertrages unterliegt,
auf die in Elsaß-Lothringen bestehenden Bestimmungen über das Oktroi
keine Anwendung finden.
Trotzdem die Reichsverfassung durch diese Gesetzgebungsakte in
Elsaß und Lothringen zur vollen und uneingeschränkten formellen
Geltung gekommen ist, ergibt sich dennoch bei näherer Betrachtung
für das Reichsland eine rechtliche Stellung im Reiche, welche von
derjenigen der Bundesstaaten in den wesentlichsten Beziehungen durch-
aus verschieden ist.
1lI. Die Insel Helgoland ist dem Deutschen Reiche von Eng-
land durch den Staatsvertrag vom 1. Juli 1890 abgetreten worden. Das
Reichsgesetz vom 15. Dezember 1890, 8 1 (Reichsgesetzbl. S. 207) hat
die Aufnahme derselben in das Bundesgebiet verfügt und genehmigt,
daß die Insel dem preußischen Staate einverleibt wird. Mit dem Tage
der Einverleibung sind die Reichsverfassung, mit Ausnahme des Ab-
schnitts VI über das Zoll- und Handelswesen, und das Reichswahlge-
setz auf der Insel in Geltung getreten. Die Einführung der übrigen
vor der Einverleibung erlassenen Reichsgesetze erfolgt durch kaiser-
liche Verordnungen, welche der Zustimmung des Bundesrates be-
dürfen !).
IV. Ueber die Erwerbung der Schutzgebiete siehe unten $ 70. Es
ist dadurch ein der ursprünglichen RV. fremdes Element hinzugetreten,
welches eine Erweiterung der Aufgaben und der Organisation des Reichs
zur Folge gehabt hat.
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Nr. 13 der Verfassung konnte natürlich nicht berücksichtigt werden. Eine besondere
Publikation dieses Gesetzes für Elsaß-Lothringen hat damals nicht stattgrefunden;
die am 20. Dezember 1873 im Reichsgesetzblatt erfolgte hatte für Elsaß-Lothringen
keine staatsrechtliche Wirkung, da Art..2 der Reichsverfassung daselbst erst am 1. Ja-
nuar 1874 in Geltung trat. So ergab sich das sonderbare Resultat, daß die durch
Gesetz vom 20. Dezember 1873 festgestellte Abänderung des Textes der Reichsver-
fassung in Elsaß-Lothringen keine gesetzliche Kraft erlangt hatte. Erst durch das
Gesetz vom 8. Februar 1875 (Gesetzblatt für Elsaß-Lothringen S. 9) ist das Versehen
beseitigt worden.
1) Reichsgesetz vom 15. Dezember 1890, 8$ 2, 4, 6. Verordnungen vom 22. März
1891 (Reichsgesetzbl. S. 21fg.); vom 14. Dezember 1892. (Reichsgesetzbl. S. 1052 fg.);
vom 24. Juli 1893 (Reichsgesetzbl. S. 236). Reichsgesetz vom 4. Juni 1893 (Reichs-
gesetzbl. S. 193).