Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

56 8 7. Staatenbund und Bundesstaat. 
zurückführen: sie sind entweder vertragsmäßige (völkerrechtliche) oder 
korporative (staatsrechtliche) '). 
Der begriffliche Gegensatz, um den es sich handelt, ist genau der- 
selbe wie auf dem Gebiete des Privatrechtes der Gegensatz zwischen 
der juristischen Person und der Gesellschaft. Die Organisation, die 
Dauer auf unbestimmte Zeit, die Fülle der dem Reiche überwiesenen 
Machtmittel, die Zahl der ihm obliegenden Aufgaben (Kompetenz) ge- 
nügen nicht zur Entscheidung dieser Frage. So wie auf dem Gebiete 
des Privatrechts in sehr zahlreichen Fällen derselbe Zweck sowohl in 
der Rechtsform der juristischen Person als auch in der der Gesellschaft 
erreicht werden kann und so wie die innere Einrichtung einer Sozietät 
sich der Verfassung einer juristischen Person überaus nähern und 
andererseits die Verfassung einer juristischen Person Elemente aus der 
Sozietät in bedeutendem Umfange in sich aufnehmen kann, immerhin 
aber juristische Person und Gesellschaft begriffliche Gegensätze sind, 
zwischen denen eine nicht zu überbrückende Kluft bleibt: so lassen 
sich auch staatliche Aufgaben von unermeßlicher Bedeutung nicht nur 
durch Staaten, sondern auch durch sozietätsartige Verbände von 
Staaten lösen; so kann im gesellschaftlichen Verband von Staaten eine 
feste Zusammenfügung der Teilnehmer, im zusammengesetzten Staat 
eine weitreichende Sonderberechtigung der einzelnen Glieder bestehen. 
Aber trotz aller tatsächlich vorhandenen Uebergänge und Mittelbil- 
dungen gibt es kein politisches Gebilde, das beides zugleich ist; denn 
das eine ist die Negation des anderen. 
Der Gegensatz zwischen juristischer Person und Sozietät läßt sich 
am kürzesten dahin formulieren: Die juristische Person ist ein 
der Zeitschr. f. d. ges. Staatsw. 1909, S.1 ff. u. S. 664; Löning, Grundzüge (3. Aufl. 
1909), S.13 ff.: W. Burckhardt. Kommentar der Schweizer Bundesverf., Bern 1904, 
S. 13ff. und dazu meine Erörterung im Archiv f. öffentl. Recht Bd. 19, S. 609 ff. 
Vgl. auch Max Huber, Die Entwicklungsstufen des Staatsbegriffs (Zeitschr. f. 
Schweizer Recht, N. F. Bd. 23, Basel 1903) und M. Veith, Der rechtl. Einfluß der 
Kantone auf die Bundesgewalt nach schweiz. Bundesstaatsrecht (Straßburger Dissert.), 
Schaffhausen 1902. 
l) Jellinek, Staatenverbindungen S. 58 ff., teilt die Staatenverbindungen nach 
einem doppelten Gesichtspunkte ein, in nicht organisierte und organisierte, und in 
historisch-politische Verbindungen und Verbindungen mit juristischem Charakter. Die 
Unklarheit dieser Unterscheidungen ist in sehr treffender Weise von Briea.a 0. 
S. 123 ff. dargetan worden, welcher S. 125 mit Recht die Frage, ob Sozietät, ob Kor- 
poration, als die maßgebende bezeichnet. — Zur Zeit des Deutschen Bundes war die 
Dreiteilung in Bundesstaat, Staatenbund und Allianz herrschend; sie ist unlogisch, 
denn sie beruht nicht auf einem einheitlichen Einteilungsgrunde Je nachdem man 
den Staatenbund als eine korporative oder als eine sozietätsartige Verbindung auf- 
faßt, muß man ihn entweder mit dem Bundesstaat oder mit den Allianzen und den 
übrigen völkerrechtlichen Vereinigungsformen zu einer Kategorie verbinden. Eine 
beachtenswerte Erörterung über den Unterschied zwischen Bundesstaat (composite 
state) und Staatenbund (system of confederated states) gibt John Austin, The 
Province of Jurisprudence (2. Aufl., London 1861) S. 217 ff. Ferner Ebers, Lehre vam 
Staatenbunde (Bresl. 1910). Vgl. darüber Arch. f. öff. R. Bd. 27, S. 340.
	        
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