38 $ 7. Staatenbund und Bundesstaat.
über sich hat, nennen wir souverän. Der wesentliche, für
den Begriff charakteristische Unterschied zwischen dem völkerrecht-
lichen Staatenbund und dem verfassungsmäßig organisierten, Korpo-
rativen Staatenstaat ist daher darin zu sehen, daß bei ersterem
die Einzelstaatsgewalt, bei letzterem die Zentral-
gewaltsouveränist!')
1) Die Ansichten über den Rechtscharakter des Staatenbundes sind
geteilt. Einige legen ihm den Charakter einer mit Herrschaftsrechten aus-
gestatteten juristischen Person bei; insbesondere Hänel, Studien I, S. 40 ff.
und Hirths Annalen 1887, S. 82; G. Meyer, Staatsrecht $ 13 und Annalen 1876,
S. 661; Gareis, Allgemeines Staatsrecht $ 42; Brie in Grünhuts Zeitschrift Bd. 11,
S. 127 ff. und Staatenverbindungen S. 83 ff.; v. Stengel S.1132ff.; LeFur p. 498 sa.
Wenn man dafür geltend macht, daß der Staatenbund eine Organisation habe, daß
in ihm das Majoritätsprinzip gelte und daß den Miteliedern das Recht zum Austritt
nicht zustehe, so sind diese Gründe nicht von Belang, da dies alles bei sozietätsarti-
gen Verbänden ganz ebenso wie bei korporativen stattfinden kann. Entscheidend
gegen die staatliche Natur des Staatenbundes ist dagegen die Souveränität der
Mitgliedsstaaten, die allseitig zugestanden wird. Der Versuch von Meyer, Brie,
v.Stengelu. a. den Gliedstaaten eine „verminderte Souveränität“ beizulegen, ist
nicht zur Lösung des Problems geeignet, da eine Verminderung der Souveränität eine
Negation derselben ist. Vgl. meine Erörterung im Archiv f. öffentl. R. Bd. 2, S. 315 fg.
Die Mehrzahl der neueren Schriftsteller hält demnach auch, und zwat m. E. mit Recht,
ander vertragsmäßigen Natur des Staatenbundes fest. Vgl. Zachariä, Staats-
recht I, $S 26; v. Gerber, Grundzüge (3. Aufl.) $8, Note 3; v. Mohl, Reichsstaats-
recht, S. 28fg.; Zorn, Staatsrecht I, S. 70 und Annalen 1884, S..461; Jellinek.
Staatenverbind. S. 172ff.; Rosin, Annalen 1883, S.276; Mejer, Einleitung (2. Aufl.)
810; Triepel, Das Interregnum (Leipzig 1892), S. 91 fg.; Anschütz, Enzyklop. S. 462;
Ebersa.a.O. u.a. Wenn man übrigens den Ausdruck „Staatenbund“ auf politische Ge-
staltungen anwendet, welche eine mit Herrschaftsrechten ausgestattete Zentralgewalt
haben, so wird der Streit ein bloßer Wortstreit. Mit Recht führt daher auch Rehm
S. 88 ff. aus, daß aus der Bezeichnung Staatenbund allein auf den Rechtscharakter
einer Staatenverbindung nicht mit Sicherheit geschlossen werden kann, sondern daß
das die Verbindung beherrschende Prinzip dafür maßgebend ist. Ganz unhaltbar ist
aber die Behauptung, daß der Staatenbund dadurch charakterisiert sei, daß er zwar
staatsrechtlich eine Sozietät, dagegen völkerrechtlich ein Rechtssubjekt
sei. So namentlich Schulze, Deutsches Staatsrecht I, S. 42; Bake S. 47; Gierke
in Schmollers Jahrb. Bd. 7, S. 1157. Es ist dies dieselbe Vermengung unvereinbarer
Gegensätze, welche auf dem Gebiete des Privatrechts zur Annahme von Personen-
gemeinschaften führt, welche nach innen Sozietäten, nach außen Korporationen sein
sollen. Was nach außen Rechtssubjekt ist, kann nicht nach innen Rechts ver-
hältnis sein; die Souveränität der Gliedstaaten kann nicht in staatsrechtlicher Be-
ziehung vorhanden und in völkerrechtlicher ausgeschlossen sein. Vgl. Liebe S. 121g.;
Rehm S. 99. Dagegen kann eine Sozietät „organisiert“ sein, nach außen Rechts-
wirkungen haben und zur Bezeichnung ihrer gesamten Rechtsbeziehungen einen Na-
men (Firma) führen, ohne doch deshalb zum Rechtssubjekt zu werden. Die völker-
rechtlichen Gesellschaften der Staaten kann man wie die privatrechtlichen der Individuen
in „offene und stille“ eintheilen. Wenngleich der Staatenbund im völkerrechtlichen
Verkehr als eine „Gesamtmacht“ behandelt wird, einen Gesamtnamen führt, gemein-
schaftliche Bevollmächtigte (Bundesgesandte) ernennen kann u. dgl., so bleibt er doch
seinem juristischen Wesen nach eine Gesellschaft von Staaten. Die Gesamt-
macht ist die vereinigte Macht der Mitglieder, der Gesamtname die zusammenfassende
Bezeichnung derselben, wie die Firma der Handelsgesellschaft; eine selbständige Per-