Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

66 8 8. Fortsetzung. Kritik entgegenstehender Ansichten. 
Zunächst ist der Begriff des eigenen Rechts« Gegenstand mehr- 
facher Erörterungen geworden. Jellinek.a.a O. S. 41 ff. hat ihm 
eine eingehende Untersuchung gewidmet, deren Resultat in dem Satze 
besteht: »Eigenes Recht ist rechtlich unkontrollierbares Recht.« Dem- 
gemäß findet er das Wesen des Staates darin, »daß auf einem begrenz- 
ten Gebiete staatlicher Tätigkeit eine öffentlich rechtliche Korporation 
berechtigt ist, innerhalb desselben die regelnden Normen in letzter 
Instanz, mit Ausschluß einer Kontrolle einer höheren Macht, zu er- 
lassen«. Diese Deduktion ist mehrfach widerlegt worden!) und auch 
in der Tat nach allen Richtungen hin unhaltbar. Weder sind die 
Gliedstaaten eines Gesamtstaates auf den ihrer Autonomie und freien 
Verwaltung überlassenen Gebieten frei von jeder Kontrolle 
der souveränen Zentralgewalt, da die letztere doch jedenfalls darüber 
zu wachen hat, daß der Gliedstaat die ihm gezogenen rechtlichen 
Grenzen nicht überschreitet und dadurch die Gesetze der souveränen 
Macht verletzt; noch hört ein Recht dadurch auf ein eigenes zu 
sein, daß seine Handhabung einer Kontrolle unterliegt. Vollkommen 
zutreffend scheint mir vielmehr die Ausführung von Rosin?) zu sein, 
daß der Gegensatz von »eigenem« Recht lediglich das »fremde« Recht 
ist und daß auch derjenige, welcher vertretungsweise ein fremdes Recht 
ausübt, ein »eigenes« Recht darauf haben kann, als Vertreter zu fun- 
gieren. Es kann demnach nicht bestritten werden, daß auch die Ge- 
meinden innerhalb ihres Wirkungskreises eigene Rechte haben, und 
es erweist sich daher als ein vergebliches Bemühen, hierin einen spe- 
zifischen Unterschied zwischen dem Staat und der Gemeinde aufzufinden. 
Nicht das »eigene Recht« ist entscheidend, sondern das »eigene 
Herrschaftsrecht«. Seit v. Gerber in seinen Grundzügen den 
Satz an die Spitze des Staatsrechts gestellt hat, daß der eigentümliche 
Willensinhalt der Staatspersönlichkeit das»Herrschen« sei und die 
Macht des Staates zu herrschen Staatsgewalt heiße, wird zwar in zahl- 
losen staatsrechtlichen Schriften von der Herrschaft und den Herr- 
schaftsrechten des Staates gesprochen, eine nähere Feststellung aber, 
was die staatliche Herrschaft bedeute, hat man nicht für notwendig 
gehalten. Zuerst in der erwähnten Schrift von Rosin ist auf den 
Begriff und das Wesen der Herrschaftsrechte näher eingegangen wor- 
den. Indem derselbe das Herrschaftsrecht dem Forderungs- 
recht gegenüberstellt, definiert er den Gegensatz dahin, daß die letz- 
teren in dem fortdauernden Willen des Verpflichteten, die ersteren 
dagegen in dem rechtlich anerkannten und geordneten Willen der 
herrschenden Persönlichkeit den fortdauernden Grund ihres Bestehens 
finden. Er definiert Herrschaftsrechte als Rechte aus eigener Macht 
1) Am treffendsten und eingehendsten von Rosin a. a. O. S. 277 ff. und von 
Briea.a.0.8.9 ff. Vgl.auchBorelS.81fl.; Preuß S.51ff.; Le FurS. Bali 
Rehm S. 114. 
2) A.a.0.8.279fg. Aehnlich auch Gierke in Schmollers Jahrb. VII, S. 1163 ft.
	        
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