Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

8 8. Fortsetzung. Kritik entgegenstehender Ansichten. 67 
des Berechtigten. Dagegen erklärt er den Inhalt des Rechts nicht für 
den Begriff des Herrschaftsrechts charakteristisch. Hiernach ist dieser 
Begriff auf das öffentliche Recht nicht beschränkt; auch das Privat- 
recht kennt Rechte, welche nach der Begrifisbestimmung Rosins Herr- 
schaftsrechte sind, nämlich das Eigentum und alle dinglichen Rechte. 
Dadurch verliert aber das »Herrschen« seine spezifische Beziehung auf 
das Staatsrecht: es ist nicht der charakteristische Inhalt der Staats- 
gewalt, sondern eine Kategorie, welche sowohl öffentliche wie private 
Rechte umfaßt'). Da Rosin den Inhalt des Rechts für unerheblich 
erklärt, wird er dazu gedrängt, das unterscheidende Merkmal außerhalb 
derjenigen Momente zu suchen, aus welchen sich der Begriff aller 
Arten von Rechten aufbaut. Er greift hierbei zu demjenigen Hilfs- 
mittel, mit welchem in der neuesten Phase der juristischen Dogmatik 
ein wahrer Mißbrauch getrieben wird, zu dem sogenannten »Zweck- 
moment«. Da kein Rechtsinstitut auf die Dauer sich erhalten kann, 
welches nicht einem als berechtigt anerkannten (vernünftigen) Lebens- 
zweck dient, so liegt die Versuchung nahe, den Zweck in den Rechts- 
begriff selbst zu verlegen und die schwierige und strenge Untersuchung 
der logischen Elemente, aus denen sich der Begriff eines Rechtsinsti- 
tutes komponiert, mit einer Spekulation über seinen Nutzen oder seine 
Notwendigkeit zu vertauschen. Diese Methode ist m. E. ein Abweg. 
Der Zweck, welchem ein Rechtsinstitut dient, liegt jenseits seines Be- 
griffes. Die Zwecke, welche durch Eigentum, Servitut, Sozietät, Kauf, 
Wechsel, oder durch Eidhelfer, Tortur, Schwurgericht, Appellation 
u. s. w. erreicht werden sollen, oder tatsächlich realisiert werden, sind 
zwar von bestimmendem Einfluß auf die juristische Gestaltung dieser 
Rechtsinstitute und für das Verständnis der letzteren von unschätz- 
barem Wert, aber sie gehören nicht zum Begriff derselben. Rosin 
findet den Gegensatz zwischen Staat und Gemeinde nicht in einem 
spezifischen Unterschied der ihnen zustehenden Rechte, sondern 
der ihnen gesetzten Zwecke. »Die Gemeinde habe die Befriedigung 
der auf dem örtlichen Zusammenwohnen und der nachbarlichen Lage 
der Grundstücke beruhenden Gemeindebedürfnise zum Zweck, der 
Staat dagegen verfolge die Aufgabe, die nationalen, dem Gesamtvolke 
als natürlicher Gemeinschaft eigenen Interessen zu realisieren«?). Hierin 
l) Rosin S. 298: „Die dem Staate zustehenden Herrschaftsrechte sind als 
solche, d. h. in ihrer abstrakten Potenz als Herrschaft, abgesehen von ihrem indivi- 
duellen, durch den Staatszweck gegebenen Inhalt, nichts für den Staat Cha- 
rakteristisches.“ 
2) A.a. 0.S. 291. Auch Brie, Staatenverbindungen, erklärt den Zweck als 
das für den Begriff des Staates maßgebende Kriterium, und zwar sei „die Allseitig- 
keit des Zwecks“ das prinzipale Moment, die „Subsidiarität“ das vernunftgemäße 
Korrelat und die unentbehrliche Schranke der Universalität des Staatszwecks (a.a.0. 
S. 4, 100). Aehnlich Rosin S. 290. Er charakterisiert den Zweck, der das für den 
Staatsbegriff wesentliche Merkmal bilde, als „potentielle Totalität verbunden mit ak- 
tueller Partialität“. Zweck bedeutet aber einen bestimmten Zielpunkt; die All-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.