84 8 8. Fortsetzung. Kritik entgegenstehender Ansichten.
fellos dargelegt ist. Die Unrichtigkeit derselben habe ich bereits an
einem anderen Orte und mit Bezug auf einen anderen Anwendungs-
fall nachzuweisen gesucht‘) und ich kann mich daher an dieser Stelle
darauf beschränken, die wesentlichsten Hauptpunkte zu wiederholen.
Der Rechtsbegriff der Person besteht einzig und allein in der Rechts-
fähigkeit; die Person im Rechtssinn hat keine andere Eigenschaft als
die eine, die ihr ganzes Wesen ausmacht, nämlich Rechts-
subjekt zu sein. Jede Person ist daher eine Einheit, d. h. etwas
logisch Unteilbares, ein Individuum. Es kann keine andere Auffassung
der Person geben, als eine individualistische; denn die Leugnung der
Individualität ist zugleich die Verneinung der Persönlichkeit.
Wenn eine Mehrheit von Personen zu einer selbständigen Person zu-
sammengefaßt wird, so ist das nicht ein Auseinanderreißen, eine Tren-
nung der Gesamtperson von ihren Gliedern, sondern eine logische
Gegenüberstellung. Wer sich z.B. die Stadt Berlin als juristi-
sche Person vorstellt, abstrahiert dadurch von der Vorstellung der
einzelnen Einwohner Berlins; er kann diese Vorstellung überhaupt
nicht anders gewinnen, als daß er sich die einzelnen Einwohner »weg-
denkt«, nicht als wären sie überhaupt nicht vorhanden, aber so, daß
sie etwas von der Vorstellung der Stadt Berlin Verschiedenes sind.
Das Recht, welches die Gesamtheit zur selbständigen Trägerin von
Rechten und Pflichten, also zur Person, konstituiert, setzt sie dadurch
der Vielheit als eine von ihr begrifflich verschiedene Einheit gegen-
über, es hebt »die Durchdringung der Einheit durch die Vielheit«
logisch auf, es macht aus der Summe von Sonderexistenzen eine
neue Grundeinheit, innerhalb deren es keine Vielheit gibt. Er-
kennt man demnach an, was Gierke ausdrücklich und wiederholent-
lich tut, daß im Bundesstaat der Zentralgewalt sowohl wie den Glied-
staaten selbständig Hoheitsrechte zustehen und daß sie einander gegen-
über Rechte und Pflichten haben, so ist damit die unerläßliche logische
Notwendigkeit gegeben, sowohl den Bundesstaat als den Gliedstaat,
jeden für sich, als Rechtssubjekt (Person) zu denken, sie also be-
grifflich von einander zu isolieren, und als logische Einheiten (In-
dividuen) sich gegenüberzustellen. Rechtsverhältnisse unter mehreren
Personen können überhaupt nicht gedacht werden, wenn man nicht
die beteiligten Personen als voneinander begrifflich verschieden und
unabhängig sich vorstellt. Die Vorstellung des Reiches als eines Sub-
jekts von selbständigen öffentlichen Rechten und Pflichten kann dem-
nach nicht anders gewonnen werden, als daß man von den Glied-
staaten abstrahiert, sie »wegdenkt«, sie als vom Reich verschiedene
Persönlichkeiten ihm gegenüberstellt und sonach das Reich nicht als
eine zusammengefaßte Vielheit, sondern als eine von sämtlichen Glied-
1) „Beiträge zur Dogmatik der Handelsgesellschaften.“ In der Zeitschrift für
das gesamte Handelsrecht Bd. 30, S. 483 ff.