Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

8 58. Die Rechtsverordnungen des Reichs. 111 
Für die vom Kaiser erlassenen Anordnungen ist übrigens in der 
Verordnung vom 26. Juli 1867 (Bundesgesetzbl. S. 24) ausdrücklich 
vorgeschrieben worden, daß sie in dem Reichsgesetzblatt verkündet 
werden sollen '). Die Ausführung dieser Vorschrift liegt dem Reichs- 
kanzler als Minister des Kaisers ob. 
Den Abdruck der vom Bundesrat sanktionierten Verordnungen 
im Reichsgesetzblatt hat der Reichskanzler als Vorsitzender des Bun- 
desrates zu veranstalten. Es folgt dies aus Art. 15 der Reichsverfassung; 
da zu der ihm obliegenden »Leitung der Geschäftex auch die zur Aus- 
führung der Beschlüsse des Bundesrates erforderlichen Verfügungen 
gehören ?), der Beschluß des Bundesrates aber, eine Verordnung zu 
erlassen, durch Bekanntmachung dieser Verordnung im Reichsgesetz- 
blatte ausgeführt wird. 
Besondere Vorschriften sind reichsgesetzlich erlassen worden für 
die Verkündigung der Polizeiverordnungen in den Konsular-Jurisdik- 
tionsbezirken ®), in den Schutzgebieten *) und in den Kriegshafenbe- 
zirken ?). | 
  
  
ordnung im Zentralbl. für das Deutsche Reich für rechtswirksam erklärt; indem es 
annimmt, daß beim Mangel einer verfassungsmäßigen Formvorschrift der Bundesrat 
in der Bestimmung der Verkündigungsweise freie Hand habe. Hiernach würde 
es auch genügen, wenn der Bundesrat seine Verordnungen durch Aushang an einem 
Dienstgebäude oder durch Verlesen an den Straßenecken oder durch Abdruck in einer 
beliebigen Zeitung verkündigen würde. Wenn das Reichsgericht hinzufügt: „Uebri- 
gens darf noch erwogen werden, daß auch das Zentralbl. für das Deutsche Reich 
unter Redaktion einer obersten Reichsbehörde steht und deshalb geeignet erscheint, 
dem Zwecke der amtlichen Verkündigung, d. h. der Ermöglichung allgemeiner und 
zuverlässiger Kenntnisnahme, zu genügen,“ so ist dagegen einzuwenden, daß erstens 
keinestaatsrechtliche Verantwortlichkeit für den Inhalt des Zen- 
tralblattes besteht und zweitens, daß Niemand rechtlich verpflichtetist, 
von dem Inhalt des Zentralblattes Kenntnis zu nehmen. Es genügt nicht, daß die 
Behörden von Rechtsverordnungen Kenntnis erlangen; dem Publikum gegenüber 
werden sie durch den Abdruck im Zentralblatt mehr verheimlicht als verkündigt. Es 
ist zu bedauern, daß das Reichsgericht die im Deutschen Reiche herrschende Ver- 
kündigungsunordnung in allen Punkten unter seinen maßgebenden Schutz genommen 
hat. Siehe über diese Frage meine Abhandl. im Arch. für öff. Recht Bd. 18, S. 305 ff. 
1) Unter „Anordnungen“ sind aber hier Gesetzgebungsakte zu verstehen, nicht 
Verfügungen (Verwaltungshandlungen). Vgl. Entscheid. des Reichsoberhandelsgerichts 
Bd. 15, S. 297. Ebensowenig fallen darunter Anordnungen des Kaisers in Ausübung 
des militärischen Oberbefehls über Heer und Marine, welche im Armee- und 
resp. Marineverordnungsblatt verkündet werden. 
2) Revid. Geschäftsordnung des Bundesrats 8 27. Da der Reichskanzler als Vor- 
sitzender des Bundesrats handelt, müßte sich seine Stellvertretung bei der Verkündi- 
gung von Bundesratsbeschlüssen nach Art. 15 Abs. 2 der RV. bestimmen; dies wird 
aber tatsächlich nicht befolgt, vielmehr wird der Reichskanzler durch einen Ressort- 
stellvertreter gemäß dem Reichsgesetz vom 17. März 1878 vertreten. Vgl. meine Er- 
örterung im Archiv f. öff. Recht Bd. 18 S. 334 ff. 
3) Reichsgesetz vom 10. Juli 1879, $ 4, Abs. 5 (Reichsgesetzbl. S. 198); vom 7. April 
1900, $ 51, Abs. 3 (Reichsgesetzbl. S. 224). 
4) Reichsgesetz vom 17. April 1886, $ 2 (Reichsgesetzbl. S. 75). 
5) Reichsgesetz vom 19. Juni 1883, 8 2, Abs. 2 (Reichsgesetzbl. S. 106).
	        
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