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2. Bandispens. Unter Umständen kann
es angängig erscheinen, von der Befolgung der
Vorschriften der BO Ausnahmen zu bewilligen.
Dies geschieht im Wege der förmlichen Dispens-
erteilung, welche rechtlich die Aenderung des ma-
teriellen öffentlichen BRechtes durch die dazu be-
rufene Behörde für einen bestimmten B mit der
Wirkung bedeutet, daß dieser, dem Dispense ent-
sprechend ausgeführt, jeder Anfechtung seitens
der BPBehörde entrückt ist (OVG 29, 354).
Die zur Erteilung zuständige Behörde entscheidet
nach freiem Ermessen; sie ist nur durch die Be-
stimmungen der B0 selbst über Dispense gebun-
den. Ein im Verw Streitverfahren verfolgbares,
subiektives Recht auf die Dispenserteilung besteht
nicht (OVG v. 20. 6. 1891, Pr VerwBl 12, 569).
Der Dispens kann an Bedingungen geknüpft oder
von Voraussetzungen abhängig gemacht werden,
die auch auf privatrechtlichem oder ästhetischem Ge-
biete liegen können. Willkür darf dabei aber nicht
obwalten. Gegen die Entscheidung der Dispens-
behörde hat die Pol Behörde wie der Eigentümer
das Recht der Beschwerde (§F145 Abs 3, 4 Zust G).
Dem Nachbarn, dessen private Rechtssphäre durch
den Dispens von öffentlich-rechtlichen Normen
nicht berührt wird, steht die Beschwerde nicht zu.
Um die Dispensbehörden in die Lage zu setzen,
durch das öffentliche Interesse nicht gebotene Här-
ten zu mildern, welche die strikte Anwendung der
B0 zur Folge haben würde, empfiehlt es sich,
die Dispensklauseln in den BO möglichst weit
und allgemein zu fassen.
3. Ueberwachung. Die Kontrolle dar-
über, daß die Bauten auch tatsächlich nach der Ge-
nehmigung und den baupolizeilichen Vorschriften
ausgeführt werden, wird durch die Abnahmen
geführt. Nach den städtischen BO sind regel-
mäßig die Rohbau= und die Gebrauchsabnahme
erforderlich, zuweilen wird zuvor noch eine
Sockelabnahme gefordert. Auf dem platten
Lande genügt häufig die Rohbauabnahme. Auch
bei den Abnahmen sind Formulare, wie bei der
Prüfung der BErlaubnisgesuche, zu benutzen,
sofern nicht höhere technische Beamte dabei tätig
sind. Ueber die Abnahmen werden von der B-
Behörde Abnahmescheine erteilt. Verstöße gegen
die BO, die bei den Abnahmen festgestellt werden,
sind — nötigenfalles im Zwangswege — zu besei-
tigen, sofern nicht nachträglich Dispens erteilt wird.
Durch eine außerterminliche Kontrolle, welche
in Gemeinden mit regerer Bätigkeit durch be-
sondere technische Beamte (Bssistenten, Bäuf-
seher) ausgeübt wird, wird über die Beobachtung
der zum Schutze der Bürbeiter erlassenen Be-
stimmungen gewacht.
4. Baupolizeigebühren. Für die Tä-
tigkeit der Behörden in BPachen können Ge-
bühren erhoben werden. Die Höhe des zu entrich-
tenden Betrages bestimmt sich im einzelnen Falle
nach der Gebühren O (Grundlagen für diese vgl.
# 2). Die Gebühren müssen so bemessen werden,
daß ihr Aufkommen die Kosten der BP im Gel-
tungsbereiche der betreffenden Ordnung nicht
übersteigt. Einheitliche Grundsätze für die Er-
hebung der Gebühren bestehen im übrigen nicht;
für die Berechnung können die Ordnungen von
Bauwesen (1I. Reich und Preußen. C. Baupolizei)
–
der BSumme, dem umbauten Raume, der be-
bauten Grundfläche, der Geschoßzahl, der Zweck-
bestimmung des Gebäudes usw ausgehen.
z 5. Baupolizeibehörden. 1. Unterste In-
stanz. Die Bye wird von den Ortspolizeibehör-
den ausgeübt, insbesondere steht diesen auch die
Entscheidung über die BErlaubnisgesuche zu.
Eine Teilung besteht in Preußen nur für das
platte Land der Provinz Hessen-Nassau insoweit,
als die BErlaubnis vom Landrate erteilt wird,
während die BP im übrigen dem Bürgermeister
zusteht. Zur technischen Mitwirkung sind in den
größeren Städten regelmäßig technische Beamte
mit höherer Vorbildung berufen (Stadt BRäte,
BInspektoren, in Städten mit Kgl Buy besondere
Pol BInspektoren). Bei dem Pol Präsidium in
Berlin ist zur Revision der den BErlaubnisgesuchen
beiliegenden statischen Berechnungen ein beson-
deres statisches Bureau, dem eine Anzahl höherer
und mittlerer technischer Beamten angehören, ein-
gerichtet. In den kleineren Städten und auf dem
platten Lande ist dafür Sorge getragen, daß
wenigstens die bedeutenderen Bauten durch einen
Techniker, der mindestens die BGewerkschule ab-
solviert haben muß, geprüft werden (Min E v.
16. 10. 1899 und 23. 6. 1900). Soweit auf dem
platten Lande die BP von Kgl Behörden wahr-
genommen wird (in den Provinzen Posen, Han-
nover und z. T. Hessen-Nassau), sind die Kal
Kreis BBeamten zur technischen Mitwirkung ver-
pflichtet. — Die Entscheidung über Bdispensge-
suche erfolgt der Regel nach in Stadtkreisen und
zu Landkreisen gehörigen Städten mit mehr als
10 000 Einwohnern durch den Bezirksausschuß,
im übrigen durch den Kreisausschuß, doch können
die BO andere Behörden als zuständig bezeich-
nen (Zust G §P148).
2. Höhere Instanzen. Die Aussicht über
die Handhabung der B'P wird nach den für die ande-
ren Zweige der Polizei geltenden Bestimmungen
von den Landräten und den Reg Präsidenten aus-
geübt. Sie kommen auch als Beschw Instanzen
bei der Einlegung von Rechtsmitteln nach §& 127 ff
LV# in Betracht. Die Oberpräsidenten entschei-
den nur, wenn gegen zweitinstanzliche Bescheide
der Reg Präsidenten (in Städten mit mehr als
10 000 Einwohnern) und ortspolizeiliche Verfgg
des Pol Präsidenten von Berlin Beschw erhoben
worden ist. Oberste Aufsichtsbehörde ist der Minö UA,
AE v. 17. 4. 1848 (GS 109). Die Bearbeitung der
B Pachen erfolgt in der III. Abteilung des Min
unter einem Ministerialdirigenten durch mehrere
administrative und technische Referenten.
Kiteratur: Balt, Preußisches Baupolizeirecht, 4.
Aufl. 1910; Münchgesang, Das Bauwesen, 1904 (2.
Aufl. in der Bearbeitung); v. Rönne, Die Baupolizel
des preußischen Staates, 3. Ausg. 1871; Friedrichs,
v. Strauß und Torney, Das Gesetz über die Anle-
gung von Straßen und Plätzen in Städten und ländlichen
Ortschaften vom 2. Juli 1875, 5. Aufl. 1905; Born, Das
preußische Baupolizeirecht, 1902; v. Brauchitsch, Die
neuen preußischen Verwaltungsgesetze, Bd. IV., 15. Aufl.
1906. In diesen Werken die monographische Literatur.
Weitere Literatur bei den Stichwörtern, auf die im Texte
verwiesen ist. Münchgesang.