Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

8 68. Das Reichsland. Die Organisation des Reichslandes. 251 
Beziehungen das Ministerium dem Statthalter unmittelbar untergeord- 
net und über wichtige oder zweifelhafte Fragen wird in regelmäßigen 
Konferenzen des Staatssekretärs und der Unterstaatssekretäre unter 
dem Vorsitz des Statthalters (sogen. Ministerialkonferenzen) Beschluß 
gefaßt oder dem Statthalter Vortrag gehalten; als Regel ist daher fest- 
zustellen, daß der Statthalter formell keine Instanz über dem Mini- 
sterium ist!). Verfügungen und Anordnungen des Ministeriums, welche 
keine Rechtskraft haben, z. B. Aufenthalts-Erlaubnisse oder Verweige- 
rungen, können aber auf Befehl des Statthalters vom Ministerium zu- 
rückgenommen werden. 
Vom Ministerium ressortieren sämtliche Gerichts- und Verwaltungs- 
behörden des Reichslandes, soweit sie nicht zu den in der unmiittel- 
baren Verwaltung des Reiches stehenden Ressorts gehören (Post- und 
Telegraphie, Reichseisenbahnen, Reichsbank und das von Preußen 
verwaltete Militär) ?). 
9. Der Kaiserliche Rat in Elsaß-Lothringen ist 
durch das Gesetz vom 30. Dez. 1871 8 8 an die Stelle des französi- 
schen Staatsrats zur Ausübung der Verwaltungsgerichtsbar- 
keit getreten?) Er entscheidet über Rekurse gegen Entscheidungen 
der Bezirksräte in streitigen Sachen; seine Entscheidungen sind end- 
gültig. Er wird gebildet von Ministerialräten und zwar werden die 
Mitglieder bis auf weiteres in der Zahl von zehn durch Kaiserliche 
Verordnung ernannt‘). An den Entscheidungen müssen mindestens 
fünf Stimmende teilnehmen; der Oberpräsident sollte ursprünglich den 
Vorsitz führen, durfte sich aber vertreten lassen. Von dieser Befugnis 
wurde Gebrauch gemacht und durch das Gesetz vom 13. Juni 1898 
(Gesetzbl. S. 33) 8 1 wurde der Vorsitz einem ständigen, vom Kaiser 
ernannten Präsidenten, bezw. einem Vertreter desselben übertragen. 
Durch 8 2 desselben Gesetzes ist der Kaiser ermächtigt, die Zuständig- 
keit des Kaiserlichen Rats in verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten, 
für welche nicht bisher die ordentlichen Gerichte zuständig waren, zu 
erweitern. Hat eine solche Erweiterung stattgefunden, so kann ihre 
Wiederaufhebung nur durch Gesetz — nämlich Landesgesetz — erfol- 
gen. Diese Erweiterung und Feststellung der Kompetenz des Kaiser- 
lichen Rats ist erfolgt durch die Verordnung vom 22. April 1902 
(Gesetzbl. S. 32). Diese den Kaiserlichen Rat betreffenden Vorschriften 
1) Bruck], S. 131. Eine Ausnahme bilden einige Fälle, in denen ein förm- 
licher Rekurs von der Entscheidung des Oberpräsidenten an den Reichskanzler ge- 
währt worden war. Vgl. LeoniS. 92 ig. 
2) Ueber die Einrichtung der Verwaltungsbehörden vgl. Leoni S. 91 ff., 96 ff. 
Bruck LS. 139 ff., dessen ausführliche Darstellung noch jetzt im wesentlichen zutrifft. 
3) Er ist nicht zu verwechseln mit dem durch das Ges. v. 4. Juli 1879 zur Be- 
gutachtung von Gesetzentwürfen etc. eingesetzten Staatsrat, welcher durch 
das Ges. v. 31. Mai 1911 aufgehoben worden ist. 
4) Ges. v. 4. Juli 1879 8 11.
	        
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